Public Streaming für Hörgerät und Cochlea-Implantat

Bluetooth Audio-Technologie Auracast, Induktion und andere Technologien – Ob Audioguide im Museum, Public Viewing oder Durchsagen am Bahnsteig – Menschen mit Höreinschränkungen können in vielen Situationen von zusätzlicher Übertragungstechnologie profitieren.

Von Eva Kohl

©Adobe Stock

Lautsprecherdurchsagen am Bahnsteig sind selbst für Normalhörende oft schwer verständlich – erst recht für Menschen mit Hörbeeinträchtigung. In lauten Räumen oder großen Veranstaltungssälen kommt es leicht zu Verständnisproblemen. Für Menschen mit mittel- bis hochgradigem Hörverlust oder einseitigem Hören sind solche Situationen besonders herausfordernd.

Wenn Sprache direkt ans Ohr kommt

Hersteller von Hörsystemen entwickeln seit Jahren Lösungen, um Sprache „virtuell näher“ ans Ohr zu bringen. Neben Infrarot-Systemen im Privatbereich und FM- oder WLAN-Systemen in Gruppen hat sich im öffentlichen Raum vor allem Induktion bewährt.

Für persönliche Übertragungen wurde Bluetooth zur Alternative – und nun kündigt sich eine neue Ära an: Bluetooth Auracast™.

Bluetooth – vom Pairing zur Public-Audio-Revolution

Bluetooth wurde in den 1990ern für kabellose Datenübertragung über kurze Distanzen entwickelt. Für Audio kam es bald bei Lautsprechern und Kopfhörern zum Einsatz.
Hörsysteme folgten: Hersteller entwickelten Zusatzgeräte, um Bluetooth-Audio zu empfangen – etwa:

  • Siemens MiniTek (für Siemens Hörgeräte und SAMBA-Prozessoren)

  • AudioLink (XT) für MED-EL Cochlea-Implantate

  • Artone 3 MAX mit induktiver Schallweitergabe

Mit Bluetooth Low Energy (BLE) erhielten Hörgeräte wie der SONNET 3 erstmals integrierte Bluetooth-Empfänger. Nun folgt der nächste Schritt: BLE Audio mit Auracast – ein System, das drahtlose Audioübertragung für alle zugänglich macht.

Zukunftsmusik: Bluetooth Auracast

Auracast wurde 2022 vorgestellt und lässt sich am besten als „Audio-Broadcast im Bluetooth-Netzwerk“ beschreiben. Die Reichweite beträgt rund 100 Meter – etwa zehnmal so weit wie klassisches Bluetooth. Viele Geräte – Smartphones, Tablets, Mikrofone oder Smart-TVs – können Auracast-Signale senden. Diese werden in Stereo übertragen, inklusive Meta-Daten wie beim RDS-Radio. Empfänger können Hörsysteme, Kopfhörer, Soundbars oder Lautsprecher sein. Theoretisch unbegrenzt viele gleichzeitig.

Wie beim WLAN können NutzerInnen über eine App, Smartwatch oder Fernbedienung gezielt einen Stream auswählen oder per QR-Code verbinden. Private, PIN-geschützte Übertragungen sind ebenfalls möglich.

Wo Auracast den Alltag erleichtern kann

„Bahnhöfe, Flughäfen und andere laute öffentliche Räume können für Menschen mit Hörverlust eine Herausforderung sein“, erklärte Eric Bernard, Präsident des Europäischen Hörgeräteverbands EHIMA, bei der Auracast-Einführung.

Einsatzmöglichkeiten:

  • Durchsagen am Bahnsteig oder Flughafen

  • Audioguides in Museen

  • Public Viewings oder Kinos (auch mehrsprachig)

  • Tour-Systeme für Reisegruppen

  • 1:1-Kommunikation am Schalter

Bernard zeigte sich optimistisch: „Mit Auracast wird ein viel breiteres Spektrum an Orten abgedeckt als bisher mit Induktionsschleifen.“

Erste Geräte und technologische Hürden

Mittlerweile sind erste Hörgeräte Auracast-kompatibel. Doch NutzerInnen berichten noch über Zeitverzögerungen (Latenz). Bis Hörsysteme flächendeckend optimiert sind, bieten Auracast-Receiver wie der MoerDuo™ von MoerLab eine Zwischenlösung. Eine einfache Teleschlinge am Audioausgang macht jedes Hörsystem mit T-Modus Bluetooth- und Auracast-fähig.

Warum sich Geduld lohnt

Noch gibt es kaum öffentliche Auracast-Sender – auch in Österreich ist kein einziger Standort in der Höranlagen-Liste des Österreichischen Schwerhörigenbunds (ÖSB) verzeichnet. Doch das Potenzial ist riesig: Da Auracast auch für Normalhörende attraktiv ist, könnte die Nachfrage aus der breiten Bevölkerung die Einführung beschleunigen. NutzerInnen-Verbände wie der ÖSB oder die Europäische Schwerhörigenföderation (EFHOH) appellieren jedoch, Induktion parallel weiter verfügbar zu halten.

Transmitter – Sender
Television, smartphone, tablet, laptop, PA system – TV, Smartphone, Tablet, Laptop, Audio-Anlage
Broadcast – Übertragung
Advertisements – Zusatzinformation (Meta-Daten)
Broadcast name, content, configuration,… – Sendekanal, Inhalt, Konfiguration
Left/right stereo – Stereo links/rechts
Audio-Streams – Audiosignal
Assistant – Assistant
Smartphone, Smartwatch, Hearing Aid Remote – Smartphone, Smartwatch, Fernbedienung
Bluetooth connection – Bluetooth-Verbindung
Receiver – Empfänger
Headphones, earbuds, hearing aids,… – Kopfhörer, Earbuds, Hörgeräte,…

Wie CI-NutzerInnen bisher im öffentlichen Raum besser hören: FM, WLAN und Telespule im Vergleich

  • FM-Anlagen – die eigentlich keine mehr sind

FM-Anlagen haben sich in den letzten Jahrzehnten vor allem im schulischen Bereich, bei Konferenzen und teilweise im privaten Umfeld bewährt. Der Begriff FM-Anlage stammt aus einer Zeit, als für drahtlose Audioübertragung die analoge Frequenz-Modulation genutzt wurde.

Vereinzelt zählt man auch die – vorwiegend im Privaten verwendete – Infrarotsysteme dazu. Heute werden aber oft digitale Nahfeld-Technologien im 2,4 Gigahertz-Bereich genützt. Sie bieten bessere Klangqualität als klassische FM-Systeme. Umfangreiche Gerätefamilien beinhalten neben Funkmikrofonen auch Möglichkeiten zur Übertragung des Audiosignals aus anderen Geräten; sie kombinieren den Empfang via Hörsystem oder Kopfhörer mit akustischen Beschallungssystemen. In Österreich ist das Roger-System von Phonak sehr verbreitet.

Dank Kanalwahl können mehrere Audiosignale parallel angeboten werden: zum Beispiel verschiedene Übersetzungen bei einer Konferenz. Für öffentliches „Streaming“ eignen sich FM-Anlagen aber nur bedingt, da Sender und Empfänger jeweils kompatibel sein müssen.

  • Audioübertragung via WLAN

WLAN bedeutet „Wireless LAN“, also: kabelfreies Netzwerk. International wird dafür der Begriff WiFi verwendet. Er steht für „Wireless Fidelity“ und wird ausgesprochen als: „Wai Fai“.

WLAN ist beim Audiostreaming noch relativ jung: Das Audiosignal wird über WLAN gesendet, die NutzerInnen melden ihr persönliches Mobiltelefon oder Tablet im WLAN an und empfangen mittels spezieller App das Audiosignal. Das leiten sie auf beliebigem Weg – meist Induktion oder Bluetooth – an ihre Hörhilfen oder ihren Kopfhörer weiter. Für Veranstaltungen ist das eine hochqualitative Lösung, doch bisher wenig verbreitet. Eines der wenigen Systeme dieser Art ist das MobileConnect von Sennheiser.

  • Induktion – das universelle System für persönliche oder räumliche Nutzung

Ein Wechselsignal in einem elektrischen Leiter induziert ein Magnetfeld, ein wechselndes Magnetfeld wiederum induziert in einem elektrischen Leiter ein elektrisches Signal: Das Induktionsgesetz, vielen bekannt aus dem Physikunterricht, ist Grundlage des einfachsten und langjährig bewährten „Streaming“-Systems: der Induktion.

Induktion ist für Hörgeräte genormt und daher weitgehend kompatibel. Die nötige Empfangsspule ist in vielen Hörsystemen integriert oder als Zubehör erhältlich. Die dafür gebräuchlichen Bezeichnungen Telefonspule, T- beziehungsweise MT-Funktion sind historisch begründet.

Im persönlichen Einsatz kommen als Sender Nackenschleifen zum Einsatz. Sie sind mit Mobiltelefon oder Audiogerät verbunden, teilweise drahtlos. Selten sind Sitzpolster mit Induktionsfunktion. Für öffentliches Streamen werden ganze Räume oder Raumteile mit einer Induktionsschleife ausgelegt: beispielsweise vor einem Fahrkartenschalter oder im Kinosaal.

Da die M- oder MT-Funktion auch andere elektromagnetische Signal hörbar macht, neigen Induktionssysteme zu Störgeräuschen. Außerdem lässt sich in dieser Technologie in einem Raum nur ein Audiosignal übertragen. Trotzdem bleibt Induktion die universellste Übertragungsmethode, die am einfachsten von Hörsystemen empfangen und verarbeitet werden kann.

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