Hans Horak ist bis zum heutigen Tag wesentlich an den Geschicken der Selbsthilfegruppe beteiligt. Sein Leben ist vielfach mit dem Werden des CIA verknüpft.
Morgens im Gartenpalais Liechtenstein. Hans Horak dreht eine Runde durchs Büro – für jeden hat er ein paar nette Worte. Der vereinsgründende Obmann des CIA bringt meist gute Laune mit. Eine Haltung, die ihm selbst schon oft half: „Ich habe meinen Kummer immer weggeblödelt.“
1969 war das schwierig, als kurz vor seiner Lehrabschlussprüfung ein schwerer Motorrad-Unfall das Leben des Fleischhauers auf den Kopf stellte: beidseitiger Schläfenbeinbruch. Schwindel, Taubheit und Tinnitus gehörten zu den Folgen. Die Taubheit traf den kommunikationsfreudigen jungen Mann am meisten. Mit gesenkter Stimme erinnert er sich an die Zeit, in der er sehr rasch seinen großen Bekanntenkreis verlor: „Ich konnte ja nicht mehr mitreden.“ Es blieben seine neun Geschwister, deren Partner und die beiden Freunde Ferdi und Herbert.
Mit dem Unfall verlor er aber auch die beruflichen Perspektiven. Während Gleichaltrige gerade ihr selbständiges Leben aufbauten, riet man ihm von ärztlicher Seite zur Frühpension.
„Mit einer Art Trotz“
Heute hat Hans Horak fast immer eine rote Digitalbild-Kleinkamera dabei. Die hat der passionierte Bastler vor der Entsorgung gerettet und repariert. Wie davor schon Waschmaschinen, Brotschneidemaschinen und Fernseher. Mit einem alten Röhrenfernseher hat die Bastelleidenschaft auch begonnen. Die Reparatur in der Werkstätte wäre zu teuer gekommen. Also hat der geschickte Modellbauer versucht, den Fernseher selbst zu reparieren. Mit Bedienungshandbuch, Mut zu Neuem und mit viel Ausdauer. Eine Ausdauer, die zu seinen Lebensprinzipien gehöre, wie er sagt.
Eine Ausdauer, mit der er an seiner verzweifelten Hoffnung festhielt, eines Tages doch wieder zu hören: „Ich habe all die Jahre mit einer Art Trotz gelebt.“ Nach zwanzig Jahren Taubheit führte ihn der Zufall ans AKH und zu seinem ersten Cochleaimplantat.
„Du wirst uns bald nicht mehr brauchen“, diese Sorge seines Freundes Ferdi konnte Hans Horak zerstreuen. Doch von manch anderen Bekannten distanzierte er sich, sobald er deren Randbemerkungen verstand. Abermals wechselte er sein Freundeskreis.
Sprechprobe im Stadtpark
„In den 20 Jahren, in denen ich nichts gehört habe, hat meine Aussprache sehr gelitten.“ Die Logopädin Maria Lautischer gab den Tipp, zur Übung laut zu lesen. „Ich saß im Stadtpark, ein Buch auf den Knien und rezitiere mit lauter Stimme Rübezahl. Aus den Augenwinkeln habe ich gesehen, wie die Leute einen großen Bogen um mich machten“, lacht der Mittsechziger heute. Nur eine ältere Frau habe längere Zeit von der Nebenbank aus zugehört: „Mein Gott, sie lesen das aber schön. Lernen sie ein Theaterstück?“
Als er später auf ein digitales C40-Implantat wechselte, habe er mit dem Erlernten dann alle genervt. Er schmunzelt. „Ich habe Normalhörende bei der Aussprache verbessert – die haben sich furchtbar geärgert.“
Gesellig ins neue Leben
So gesellig Hans Horak schon immer war – mit etablierten Vereinen für Schwerhörige oder Gehörlosen konnte er sich nicht identifizieren. So startete er 1989 seine eigene Selbsthilfegruppe „Interessensgemeinschaft für Schwerhörigkeit und Spätertaubte“ als Anlaufstelle für Betroffene und Familienmitglieder, aus der sich der CIA entwickelte.
Als Hörbehindertenberater beim Österreichischen Hilfswerk für Taubblinde – ÖHTB lernte er dann Barbara Zickner kennen und schätzen. Viele ihrer gehörlos geborenen Freunde konnten nicht verständlich sprechen – so begann der erfolgreiche CI-Nutzer Gebärdensprache zu lernen. „Ich habe noch immer viele Bekannte im Gehörlosenbereich.“ Von manchen Gehörlosen fühlte er sich aber weiterhin abgelehnt: Er vermutet teilweise Skepsis gegen sein Cochleaimplantat.
Das Hören genießen – immer?
Eine Skepsis, die Hans Horak nicht versteht – genießt er es doch, die Geräuschkulisse des Lebens zu hören. Der passionierte Modellbauer nimmt nicht nur bei seinen Flugzeugen das Pfeifen des Fahrtwinds angenehm wahr. „Das beifällige Gemurmel der Zuschauer, wenn du das verstehst!“, schwärmt er, und: „Mein Elektroauto, das horcht sich an wie ein Formel-1 Wagen!“ – ein eigens eingebauter Tongenerator macht´s möglich.
Auch die Musik hat er seit der Implantation zurückerobert. „Ich habe zwanzig Jahre lang nichts gehört – in der Zeit ist wahnsinnig viel neue Musik aufgekommen.“ Mit Heavy-Metall oder Techno könne er nichts anfangen, lacht er: „Das klingt wie in einer Metall-Werkstatt.“ Er genieße lieber die alten Schlager, von Volksmusik bis Rolling Stones.