Beim jährlichen Meeting der internationalen HNO-Expertengruppe HEARRING wurde eine robotergestützte Operationsmethode zur Cochlea-Implantation vorgestellt. Schweizer Patienten wurden bereits erfolgreich operiert, Wien könnte der nächste Einsatzort sein.
Ab 1804 entwickelte Joseph-Marie Jacquard Lochkarten-gesteuerte Webstühle, die Vorgänger heutiger Computer. Seither zieht digitale Intelligenz in immer weitere Lebensbereiche ein, auch im klinischen Bereich. Schon in den 1990ern wurden im Operationssaal Roboter bei Hüftoperationen eingesetzt. Diese Generation technischer Assistenten wurde längst aus dem Dienst genommen und durch genauere und zuverlässigere Modelle ersetzt.
Erstmals 2016 kam in Bern in der Schweiz ein Roboter auch bei einer Cochlea-Implantation zum Einsatz. Beim Jahrestreffen der internationalen HEARRING Experten von 27. bis 30. September 2018 in Wien stellte Prof. Dr. Marco Domenico Caversaccio, Chefarzt der Universitätsklinik Bern, Ergebnisse von mittlerweile neun erfolgreich implantierten Patienten vor.
„Instrumentenflug ins Innenohr“
Prof. Dr. Stefan Weber vom Zentrum für Biomedizinische Technik an der Universität Bern leitet gemeinsam mit Prof. Caversaccio gemeinsam die Entwicklung. In seinem Vortrag beim HEARRING-Meeting verglich er die Veränderungen in der Operationstechnik mit jener in der Flugtechnik. Waren die Piloten der Doppeldecker Anfang des vorigen Jahrhunderts ausschließlich im Sichtflug unterwegs, so bietet das Kontrollpanel eines modernen Flugzeugs eine Unzahl von Flugdaten und Manövrier-Möglichkeiten. Große Passagiermaschinen werden heute vom Autopiloten gesteuert.
Digitale Überwachsungsgeräte sind an Kliniken heute Selbstverständlichkeit. Die Chirurgie hat sich über die letzten Jahrzehnte stark entwickelt. Die robotergestützte Cochlea-Implantation nennt der Schweizer Wissenschaftler einen „Instrumentenflug ins Innenohr“ und erwartet für die Zukunft auch für Roboter den selbstverständlichen Einsatz im Operationssaal.
Am 19. September musste am Flughafen Wien-Schwechat Piste 29 für 45 Minuten gesperrt werden, weil ein Fledermausschwarm den Abflugbereich blockierte. Von den hochsensiblen Geräten der Flugüberwachung unbemerkt, wurden die Fledermäuse von den Piloten der wartenden Flugzeuge entdeckt. Wie menschliche Piloten stets den Autopiloten überwachen und bei Bedarf eingreifen, werden Roboter auch im Operationssaal den Chirurgen auch zukünftig lediglich als Assistent und Werkzeug dienen.
Grenzüberschreitende Entwicklungskooperation
Beim HEARRING-Treffen in Wien stellte Prof. Caversaccio die erfreulichen Ergebnisse seiner ersten neun Patienten vor, denen er an der Berner Universitätsklinik Inselspital mittels eigens entwickelten Roboter HEARO ein MED-EL Cochlea-Implantat eingesetzt hat. Eine wissenschaftliche Publikation dazu ist in Vorbereitung. „Das ist schon der Hammer“, schwärmt Prof. Wolf-Dieter Baumgartner, Gastgeber des Meetings. „Das ist wie damals, als der erste Stent in ein Herzkranzgefäß gesetzt wurde: ein wirklich großer Schritt!“
Während robotergestützte orthopädische Operationen schon seit den 1990ern möglich sind, ist das für Cochlea-Implantationen neu. „Wir reden hier vom Submillimeter-Bereich“, erklärt der Wiener HNO-Chirurg die Herausforderung. „Das sind andere Dimensionen als bei der Hüfte. Im Schädel verlaufen zudem wichtige Nerven und Gefäße, die nicht verletzt werden dürfen. Da muss ein Roboter so sicher funktionieren, dass er noch besser ist als ein erfahrener Chirurg.“ Ziel sei die Implantation durch eine ein oder zwei Millimeter kleine Öffnung im Schädel statt der bisher üblichen Zentimeter langen Schnitte. Für die Patienten bringe das minimale OP-Belastung bei maximaler Sicherheit.
„Die technologischen Entwicklungen sind bei und an der Uni Bern entstanden“, erklärt Prof. Caversaccio. „Die Universitätsklinik Wien mit Prof. Baumgartner war in die Forschung involviert.“ Der
ist zuversichtlich: „Das AKH wird die erste Stelle weltweit sein, die nach Bern einen HEARO bekommt.“