Physikalische Aspekte von Musik sind bei der technischen Klangverarbeitung in Hörimplantaten wichtig, damit deren Nutzer Musik genießen können. In die komplexen Zusammenhänge bringt sogar die Wissenschaft der Psychologie einige Aspekte ein.
Die ersten Cochlea-Implantate waren für bestmögliches Sprachverstehen optimiert. Sprache und Musik weisen einige gemeinsame Charakteristika auf, doch Musik beansprucht ein deutlich weiteres Frequenzspektrum und einen komplexeren Klangaufbau.
So haben Michael F. Dorman and Blake S. Wilson in ihrer wissenschaftlichen Publikation im Jahr 2004 erklärt: „ Um die Bedeutung des gesprochenen Worts zu erhalten, müssen Implantate die Frequenz nicht präzise wiedergeben. Aber für Musik ist diese Präzision unbedingt erforderlich. Beispielsweise eine Oktav kann nicht in der gleichen Weise gedehnt werden wie die verschiedenen Frequenzanteile von Sprache. Wenn das A über 440 Hertz eine Oktav höher gehört wird, dann muss das Implantat einen Ton mit 880 Hertz vermitteln. Eine kleine Ungenauigkeit führt zu einer anderen Note.”
Auch wenn der Technik natürlich immer noch Grenzen gesetzt sind, die Klangtreue von Cochlea-Implantaten hat sich seit Entwicklungsbeginn vor 44 Jahren stetig entwickelt und verfeinert. Basis sind die Zusammenhänge zwischen Musik, Physik, Psychologie – und natürlich Hightech.
Die Physik der Musik
Das akustische Erlebnis von Musik wird in der Physik als Schwingung oder Druckschwankung beschrieben. Das Wesen der Musik wird dabei mit Begriffen wie Rhythmus, Lautstärke und Dynamik, Tonhöhe und Klang beschrieben. Beim Rhythmus handelt es sich um die makroskopische, zeitliche Struktur von Musik, die mit einfachen Hörhilfen gehört und mittels Körperschall oft auch von tauben Personen wahrgenommen werden kann. Die Wahrnehmung von Tonhöhe, Klang und Lautstärke bedarf hingegen des Hörsinns, der Schwingungen aus der Luft aufnehmen kann – ausgenommen die Lautstärke von Basstönen, die via Körperschall übermittelt werden.
Die akustische Tonhöhe wird der physikalischen Größe der Frequenz zugeordnet, die in der Einheit Hertz gemessen wird. Ein Hertz entspricht einer Schwingung pro Sekunde. In der Musik werden Frequenzen von etwa 50 Hertz bis knapp unter 10.000 Hertz verwendet. Hohe Frequenzen werden als hohe Töne, tiefe Frequenzen als tiefe Töne wahrgenommen.
Reale Klänge und Geräusche
Der charakteristische Klang einzelner Stimmen oder Instrumente ergibt sich aus einem Grundton, der die Tonhöhe bestimmt, und den sogenannten Obertönen mit einer vielfachen Frequenz des Grundtons. Die menschliche Stimme ist ein Beispiel für so einen Klang, das Flüstern jedoch ein Beispiel für ein Geräusch: viele Töne, die gleichwertig repräsentiert sind und deren Frequenzen aber kein Vielfaches des Grundtons darstellen. Musikinstrumente können wie Flöte oder Oboe Klanginstrumente sein oder wie Gong oder Pauken einen Mischklang erzeugen: viele Töne wie beim Geräusch, wobei die Bereiche einiger Obertöne lauter sind, teilweise auch einzelne andere Tonbereiche.
Der akustischen Lautstärke wird der physikalische Begriff des Schallpegels oder der Schallintensität zugeordnet. Die Dynamik des normalhörenden Ohrs reicht dabei von 20 Mikropascal bis 20 Kilopascal, oder von 0 Dezibel bis etwa 130 Dezibel. Wie laut etwas empfunden wird, hängt primär von Schallintensität und Tonhöhe ab. Zusätzlich kommen auch psychologische Aspekte dazu, wie die Frage, ob wir etwas hören möchten oder gerade nicht.
Cochlea-Implantat – HiFi im Mikroformat
Von der Stereoanlage wissen wir: Der Lautsprecher ist maßgeblich für die Klangqualität. Allgemeiner ausgedrückt sind bei zeitgemäßer Schallverarbeitung die Schallwandler wesentlich für die Klangtreue des Systems. Bei Cochlea-Implantaten wären das ein Mikrofon am Eingang des Systems, sowie die Elektrode, welche die Signale statt eines Lautsprechers direkt an die neuronale Struktur abgibt.
So wie die Technologie bessere Wandler für die Audio-HiFi-Technik entwickelt hat, haben sich auch die Mikrofone der Audioprozessoren über die Zeit verbessert. Mit dem besten Mikrofon kann aber nur bedingte Tonqualität erreicht werden, wenn die Schallaufnahme durch Alterungseffekte oder Verschmutzungen behindert wird. Daher sollten Mikrofonabdeckungen regelmäßig getauscht und die Prozessoren insgesamt kontrolliert werden.
Bei Musik ist es wichtiger als bei Sprache, dass sowohl leise als auch laute Signale aufgegriffen und mit der entsprechenden Spannweite abgegeben werden können. Diese Fähigkeit beschreibt man mit der Dynamik des Systems. Auch sie hängt von der Qualität des Mikrofons ab, aber auch von der ihm folgenden Schaltung und nicht zuletzt von der Dynamik zwischen Hörschwelle und unangenehm lauten Tönen, die bei der Anpassung des Audioprozessors programmiert wird.
Der Lautsprecher beim Cochlea-Implantat
Mit dem Blick auf die Physiologie der Tonhöhenwahrnehmung, insbesondere die Tonotopie der Cochlea, wird klar, wie wichtig für eine naturnahe Tonhöhenwahrnehmung es insbesondere ist, wenn lange Elektroden und eine tiefe Insertion die Stimulation der gesamten Länge der Hörschnecke ermöglichen. Ebenso einsichtig ist es, dass auch das zeitliche Erregungsmuster einen wichtigen Beitrag leisten kann. Ein solches Erregungsmuster wird heute ausnahmslos von der Feinstruktur-Kodierung der MED-EL Cochlea-Implantate geboten.
MED-EL bietet mit den Standard- und FlexSoft-Elektroden gleichzeitig die längsten Elektroden und können so als einzige gewährleisten, dass die Nervenstruktur über die gesamte Länge der Cochlea stimuliert wird. Vergleichbare Systeme anderer Hersteller gibt es zurzeit nicht.
Gemeinsam mit der besonders gewebeschonenden, atraumatischen Elektrodentechnologie werden die langen Elektroden zur Abdeckung der gesamten Cochlea und die Feinstruktur-Kodierung als Triformance zusammengefasst. Während die Elektrode Teil des Implantats ist, sind Mikrofon, Dynamik und Kodierung im Audioprozessor verortet. Mit jedem Upgrade des Prozessors profitieren Nutzer daher von den technologischen Verbesserungen in diesem Bereich.
Schon gehört?
Klangempfindung – Psychoakustik
Die Beschreibung des Lautstärkeeindrucks bezieht sich auf einen gleich laut empfundenen Ton der Frequenz 1000 Hertz. Die Lautstärke wird dabei in Phon angegeben. Wird der Schallpegel verdoppelt, entspricht das aber keinesfalls eine Verdopplung des Lautstärkeeindrucks. Deswegen hat man als subjektive Größe Lautheit in Sone eingeführt. 40 Phon entsprechen 1 Sone, die doppelte Lautstärke 80 Phon wird bereits als vier Mal so laut, 4 Sone, empfunden.
Adäquat zur Lautheit wird der Eindruck der Tonhöhe als Tonheit in Mel angegeben. Bis etwa 500 Hertz entspricht die Frequenz der Tonheit, darüber wird unser Tonhöhenempfinden ungenauer.
Obwohl die Tonheit eine bemerkenswerte Parallele zum Aufbau des Hörorgans, speziell zur Basilarmembran, aufweist, hat sie kaum Bedeutung, da die harmonische Skala der Musiklehre im allgemeinen Gebrauch dominiert.
Die Aufteilung der Töne in Frequenzgruppen, angegeben in der Einheit Bark, hat aber Einfluss bei der Analyse komplexer Klänge und Geräusche. Speziell in den Randbereichen der menschlichen Wahrnehmung beeinflussen Lautstärke und Tonhöhe einander gegenseitig in ihrer Wahrnehmung. All diese Zusammenhänge haben aber nichts damit zu tun, ob wir einen akustischen Eindruck als angenehm oder unangenehm, als Musik oder als Lärm empfinden.
Musikalisches Fachsimpeln
Der Kammerton a1 oder eingestrichenes a(1) wurde 1939 mit exakt 440 Hertz als Normalstimmton festgelegt. 880 Hertz entsprechen dem Ton a(2), der Tonhöhenunterschied einer Oktav entspricht damit einer Verdopplung oder Halbierung der Frequenz.
Als Tonleiter bezeichnet man eine Abfolge von Tönen, die in einem musiktheoretischen Konzept oder einem Musikstück verwendet werden. Auf der bei uns üblichen chromatischen Tonleiter besteht eine Oktav aus 12 Halbtonschritten, die jeweils einem Verhältnis von 15:16 bis 24:25 entsprechen.
Dur- und Mol-Tonleiter, aber auch Kirchentonleiter, Zigeunertonleiter oder Pentatonik verwenden jeweils bestimmte Abfolgen von Ganz- und Halbtonschritten, die wir als jeweils fröhlich-beschwingt bis melancholisch-traurig empfinden, immer aber als harmonisch. Einen Überblick über Musiktheorie findet man auf www.lehrklaenge.de.
Physiologie der Tonhöhe
Normalhörende Personen hören je nach Tonhöhe an verschiedenen Stellen im Innenohr: hohe Töne am Eingang der Hörschnecke (Cochlea genannt), tiefe Töne in der Spitze. Man sagt auch, hohe Frequenzen werden basal, tiefe Frequenzen hingegen apikal gehört. Diese Tonotopie der Cochlea wurde erstmals im 19. Jahrhundert von Hermann von Helmholtz beschrieben, ab 1928 von Georg von Békésy verfeinert.
1886 beschreibt William Rutherford in seiner Telefontheorie ein zeitliches Erregungsmuster der Hörnervenfasern, welches der Tonfrequenz folgt. Es folgten mit der Salventheorie und der Intervall-Histogramm-Theorie Weiterentwicklungen dieses Erklärungsmodells, die aber alle ein zeitliches Erregungsmuster der Hörnerven als Information über die Tonhöhe annehmen – relevant primär für die Tonhöhenerkennung tiefer Frequenzen bis 1000 Hertz.