Ludwig van Beethoven wäre heuer stattliche 250 Jahre alt und ist unter den Berühmtheiten dieser Welt wohl auch der prominenteste mit einer Hörbeeinträchtigung. Aber es gibt zahlreiche weitere historische Persönlichkeiten, die darunter litten und trotzdem die Welt nachhaltig prägten. Vier dieser Herrschaften haben wir näher ins Visier genommen.

Birgitt Valenta

Beginnen wir also mit ihm: Ludwig van Beethoven. Was hat ihn, den „Falco seiner Zeit“, eigentlich ausgemacht? Er war ein Revolutionär – unangepasst, schwierig, emotional, begeisternd, einzigartig. Er war ausgesprochen bekannt, ein Teil der besseren Wiener Gesellschaft, in dessen Mitte der in Bonn geborene Komponist 35 Jahre lang lebte. Er war ein Frauenheld und rastloser Wechsler seiner Wohnsitze. Er war einer der Sonnen im Dreigestirn der Wiener Klassik und doch bedeutete seine in der Mitte seines nur 57-jährigen Lebens einsetzende Schwerhörigkeit, die bekanntlich bis zur völligen Ertaubung führte, einen Dornenweg für den hochbegabten Musiker. Ein bestimmender Teil seines Lebens ging ihm unaufhaltsam verloren und er entschied sich letztendlich für die soziale Isolation des Schwerhörigen.

Im Heiligenstädter Testament, ein Brief aus dem Jahre 1802 an seine Brüder Kaspar Karl und Johann, beschreibt er eindrücklich seine Verzweiflung über die fortschreitende Ertaubung und den nahe geglaubten Tod. Entstanden ist dieser Brief übrigens in einer seiner über 50 Wohnsitze in Wien – im heutigen Beethoven Museum in der Probusgasse im malerischen Nußdorf. Dort kann man aktuell neben vieler weiteren interessanten Exponate auch bei speziellen Hörstationen das Schwinden seines Hörvermögens nachempfinden.

Auch die Volkshochschulen in Wien widmen sich unter anderem im Rahmen des Kunstprojekts Gehörlos in der Stadt der Musik – Ludwig van Beethoven in Wien der Thematik, auch gibt es dabei einen „Fotospaziergang“ zu den Wohn- und Gedenkstätten des Musikers. Also widmet sich die Kulturszene heuer nicht nur seinem wunderbaren musikalischem Werk, sondern ebenso diesem für ihn schicksalhaften Thema – seinem letztendlich vollständigen Hörverlust – dessen zum Trotz er die wahrscheinlich berühmteste Symphonie komponierte, als er sie nur noch in Gedanken hören konnte: die 9. Symphonie, deren 4. Satz als Ode an die Freude nicht nur die instrumentale Grundlage der heutigen Europahymne darstellt, sondern etwa wie Strauss‘ Donauwalzer die Welt erobert hat.

Details über den vermutlichen Verlauf seiner Erkrankung finden Sie übrigens auch in diesem Artikel, der bereits in Ausgabe 50 im Jahre 2013 erschienen ist.

Großartig düster

Der meisterhafte Maler, Radierer und Lithograph Francisco José de Goya y Lucientes, kurz Francisco de Goya,gilt als einer der spanischen Aushängeschilder seiner Kunst.

Er malte zunächst in hellen Farben im Stil des spanischen Rokoko. Nach einem Schlaganfall mit 46 Jahren gegen Ende des 18. Jahrhunderts änderte sich Goyas Leben drastisch. Er wurde taub und entwickelte, bedingt durch seine veränderte Sinneswahrnehmung, nicht nur eine andere Farbgebung in seinem Schaffen, sondern gleichermaßen einen kritischen Blick für seine Umwelt. Er zog sich in den Folgejahren mehr und mehr zurück, auf die düstere Existenz konzentriert entstanden Albtraum ähnliche Darstellungen von Kriegen, Ungerechtigkeiten und Wahnsinn. Seine aber berühmten Werke entstehen genau in dieser Zeit, beispielsweise seine Caprichos-Serie; kurz darauf sein Gemälde Nackte Maja, das gleichzeitig zu seinen skandalösesten Bildern zählt.

Er gilt in seiner letzten Lebensphase als einer der Vertreter der sogenannten Schwarzen Romantik, eine beklemmende Unterströmung der Romantik-Epoche, woraus zahlreiche bekannte Werke aus bildender Kunst sowie der Literatur entstanden sind. Die Bedeutung seiner Las Pinturas Negras -„Schwarze Gemälde“ – mit den teils grotesken und fast hexenartigen Gesichtern, die er an die Wände seines Landhauses malte, verdeutlichen seine unheimliche Grundstimmung. Heute sind sie auf Leinwand übertragen und restauriert in einem der großen Kunsthäuser der Welt zu bestaunen – im Prado, Madrids renommiertem Kunstmuseum.

Insgesamt gilt Francisco Goya als einer der bedeutendsten Darsteller menschlicher Psyche. Nicht zuletzt wohl durch seine schmerzliche Erfahrung des vollständigen Verlusts seines Gehörs.

Die eigene Stimme aus der Maschine hören

Von der Kunst der Musik und Malerei zur Kunst des Erfindens: Als einer der berühmtesten Vertreter aus den USA gilt Thomas Alva Edison, der sich die Elektrizität und Elektrotechnik als seine Lebensaufgaben ausgesucht hatte. Der Mitte des 19. Jahrhunderts geborene Erfinder und Freidenker hatte bereits in seiner Kindheit Hörprobleme und war sein Leben lang schwerhörig. Über die Ursache sind sich die Historiker bis heute uneinig. Von Scharlach bis hin zum Schlag auf den Kopf werden als mögliche Auslöser beispielsweise genannt.

Nichts desto trotz verschrieb er sich einige Jahre lang der Telegrafentechnik, die ihn schließlich nach etwa zehn Jahren zur Entwicklung des sogenannten Phonographen bewog. Etwas völlig Neues für die Welt, denn diese Erfindung führte zu der Entdeckung, dass die auf die geprägten Papierstreifen gespeicherten Texte bei der schnellen Ausführung in der Mechanik des Telegrafen Vibrationen und Töne erzeugten. Er schrieb, er sei „ergriffen“ gewesen beim Hören der eigenen Stimme. Er war zwar nie völlig taub, aber dennoch hochgradig schwerhörig. Deshalb ist, ähnlich wie bei Beethoven, gerade diese revolutionäre Erfindung ausgerechnet aus seinen Händen erstaunlich.

Letztendlich erfand Edison die erste funktionstüchtige Glühlampe und die dazu notwendigen Komponenten zu deren Energieversorgung. Insgesamt für uns Menschen heute also ein großer Mann, der die Welt in technischer Hinsicht nachhaltig veränderte.

Westernheld und Staatsmann

Etwas vorgerückt in der Zeit, nämlich in die 1980er Jahre, bleiben wir in den Vereinigten Staaten Amerika. Ronald Reagan, 40. Präsident dieser Weltmacht, vormals bekannter Westernheld auf der Kinoleinwand, litt ebenfalls an einer beachtlichen Hörminderung. Reagans Gehör wurde vermutlich generell durch seinen langjährigen Militärdienst geschädigt. Vor allem der Hörverlust auf seinem rechten Ohr dürfte auf eine Waffe zurückzuführen sein, die direkt neben seinem Kopf abgefeuert worden war. Ein klassisches Lärmtrauma offenbar.

Sein Hörgerät trug er selbstbewusst und mit Stolz. Er versteckte es nicht vor der Öffentlichkeit, was dazu führte, dass der Verkauf von Hörgeräten anstieg. Bis heute sinkt das Gefühl der Stigmatisierung beim Tragen einer Hörhilfe stetig und man darf beruhigt beobachten, dass die Nutzung einer verbessernden Hörtechnologie, ob konventionelles Hörgerät oder implantierbares System, mittlerweile vielerorts fast als Selbstverständlichkeit gilt.

Mit der Feststellung, dass das schlimmste, sie einende Schicksal der erwähnten Herrschaften, nämlich in der falschen Zeit gelebt zu haben, unsere heutige Gesellschaft nicht mehr ereilen muss, zumindest nicht in den reicheren Industrieländern, kann man doch dankbar und beruhigt über die zahlreichen Möglichkeiten zur Verbesserung oder Wiederherstellung des Gehörs in die Zukunft – ich korrigiere: in die Gegenwart blicken.

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