Kathrin Schärer zeichnet Gefühle – Angst, Wut, Freude und Spaß. Ihre Bilderbücher können Kindern helfen, die Welt zu verstehen.
Eva Kohl
Böse ist, wenn der Hund den Hahn erschreckt. Oder wenn die Taube ihren Dreck auf den Hut des Bauern fallen lässt. Und doch: Alle Tiere lachen darüber, auch die Hühner. Als sich die Katze an die arglose Maus heranpirscht, übertreibt es das Pferd aber. Es hebt sein rechtes Vorderbein und KLACK, tritt es auf die Maus. Die anderen Tiere sind sich einig: Da hört der Spaß auf!
Das Bilderbuch Böse geht der Frage nach, wann ein Späßchen zur Schadenfreude wird und was eigentlich Gut oder Böse ist. Die Texte stammen von Lorenz Pauli, Kathrin Schärer hat das Buch illustriert.
Die geborene Baselerin hat schon als Kind gerne gezeichnet. Nach ihrer Ausbildung an der Hochschule für Gestaltung begann sie als Zeichen- und Werklehrerin zu arbeiten. Das erste Bilderbuch zeichnete sie für ihre damals vierjährige Nichte: „Ich habe zu Ostern eine Hasengeschichte gesucht und keine gefunden, die mir wirklich gefallen hat. Dann habe ich ein Kinderlied illustriert.“ Das war 1996. Die Illustrationen zum Lied Ohr verlore der Mundart-Gruppe Stiller Has blieben ohne Publikation.
Einen Verlag zu finden war schwierig. 2001 veröffentlichte Schärer ihr erstes Buch Bella bellt und Karlchen kocht. Es folgte die Illustration zahlreicher Kinder- und Bilderbücher mit eigenen Texten und mit Texten von Max Bolliger, Rudyard Kipling, Franz Hohler oder Rafik Schami; besonders oft arbeitet sie mit Autor Lorenz Pauli zusammen, den sie seit ihrer zweiten Lied-Illustration kennt.
Kathrin Schärer und die Ohren
Lorenz Pauli hatte das Lied I han e Giraff unterem Bett getextet. Hatte der Hase im ersten von Schärer bebilderten Lied ein Ohr verloren, so ging es nun um eine Giraffe, von der es in der letzten Liedzeile heißt: „är het nämlech Ohreweh“.
Auch in ihrem Wirkungsbereich als Lehrerin ging es bald um die Ohren: Als sie vor 20 Jahren nach beruflicher Veränderung suchte, wurde gerade an der Sprachheilschule in Riehen eine Stelle frei. „Eine tolle Schule mit kleinen Gruppen und Kindern zwischen sieben und zehn Jahren“, schwärmt sie und lacht: „Ich mag das, wenn es noch richtige Kinder sind.“
Schärer brachte Erfahrung im Umgang mit Kindern mit unterschiedlichen Behinderungen mit, in den Bereich der kommunikativen Einschränkungen ist sie dann hineingewachsen. Heute werden an der Schule primär Kinder mit Autismus oder Sprachproblemen unterrichtet, vereinzelt auch Kinder mit Hörgerät oder CI. „Gehörlose Kinder sind an der Schule keine mehr – mit CI können sie ja hören.“
Mittlerweile unterrichtet die erfolgreiche Buchautorin nur noch vier Stunden pro Woche – ihre Tage sind gefüllt mit Illustrations-Aufträgen und Workshops abseits der Schule.
Keine Angst vor schwierigen Themen
„Eigentlich ist immer das letzte Buch mein Lieblingsbuch“, gesteht die 49-jährige Illustratorin. Doch dann kommt sie auf Der Tod auf dem Apfelbaum zu sprechen: Der Fuchs überlistet den Tod – um „auf immer und ewig“ zu leben. Bis der Fuchs älter wird, gebrechlich und einsam und letztlich den Tod umarmt und mit ihm davonzieht.
Das sei „kein Buch, das man einem Kind so zwischendurch zum Lesen gibt“, erklärt die Autorin. „Meine Mutter ist 2010 an Krebs gestorben. Das hat mich schon umgehauen. Dann wollte ich auch Kindern etwas zur Verfügung stellen, die mit dem Tod konfrontiert sind – auch wenn es nur das Meerschweinchen ist, das stirbt.“ Im Buch plädiert sie in sachten Worten dafür, dass der Tod zum Leben gehöre – und wird von der Literaturwelt mit zahlreichen Preisen dafür bedankt.
Besonders stolz ist Schärer aber auf den Schweizer Jugend- und Medienpreis: „Bei uns hier der wichtigste Preis.“ Erstmals erlangte sie die Auszeichnung 2011 für Johanna im Zug, dann nochmals 2017 gemeinsam mit Autor Lorenz Pauli für Rigo und Rosa. Für internationale Preise habe sie bisher noch zu wenige Werke, da sei sie bisher „nur“ nominiert gewesen: So 2012 für den Hans-Christian-Andersen-Preis und 2014 für den Astrid Lindgren Award.
Tierisch viel
Dabei hat sie schon weit über 30 Kinder- und Jugendbücher illustriert. Immer wieder sind es Geschichten, die für Verständnis und Toleranz plädieren. Jedes Bild animiert zum Gespräch, zum Nachdenken und Nachfühlen. Oft staunt der Leser über eine überraschende Wendung – wie auch in Böse. Und immer stehen Tiere im Mittelpunkt – auch weil man bei Tieren Emotionen deutlich darstellen kann, ohne die jungen Leser dabei zu verschrecken.
Auch für Schärer selbst haben Tiere schon in der Kindheit eine besonders große Rolle gespielt. Damals war es ihr Traum Elenfanten-Pflegerin zu werden. Heute sind ihre Träume kleiner geworden und sie wünscht sich „eine eigene Katze, dringend!“ Das sei in ihrer früheren Stadtwohnung nicht möglich gewesen, jetzt sei es aber bald so weit. Dann lacht sie: „Aber ein Elefant wäre auch nicht schlecht – vielleicht in einem Anbau dann.“