Sound of Metal – Filmkritik

Gleich in der ersten Szene wird der Film seinem Titel – Sound of Metal – gerecht. Regisseur Darius Marder zeigt den Auftritt eines Trash-Punk-Duos vor kreischendem Publikum. Doch schließt sich am Ende mit eben diesem Titel ein Kreis, der nicht für jeden verständlich sein wird.

Filmkritik zum Film Sound of Metal

Die Filmkritik zu Sound of Metal:
Kraftvolles 
Körperkino – wenn auch mutlos.

Ruben, der Schlagzeuger der Band und Hauptfigur des Dramas erleidet während einer seiner Auftritte einen Hörsturz, so folgenschwer, dass er binnen weniger Tage sein Gehör verliert. Für den Zuseher und -hörer ändert sich gleichzeitig der Klang des Films drastisch. Von den Machern perfekt umgesetzt erlebt man das Schwinden von Rubens Gehör hautnah mit – zuerst das Tinnitus-typische Rauschen, dann die immer dumpfer klingende Umwelt, bis man das, was man eigentlich hört, auf der Leinwand nur noch sieht und durch den Einsatz von sogenanntem Infrasound spürt. Körperkino in Reinkultur. Bedrückend und gleichzeitig eine echte Filmerfahrung. Was stark beginnt, wird für manche im späteren Verlauf vermutlich zur Enttäuschung:

Der erste Weg führt den verzweifelten Musiker zum Mediziner, der ihm nach der niederschmetternden Diagnose Taubheit umgehend zu einer Cochlea-Implantation rät. Gleichzeitig informiert er ihn aber auch über die dafür notwendigen enorm hohen Kosten. Nicht geklärt wird, warum Ruben diese zur Gänze allein tragen muss. Hat es mit seiner Drogen-Vergangenheit zu tun, die im Film angedeutet wird? Ist er, wie viele US-Amerikaner, dadurch aus dem System gefallen?

Anm. d. Red.: In Österreich wird die Versorgung mit Cochlea-Implantaten zur Gänze vom österreichischen Gesundheitssystem übernommen. Mehr zu den Kosten eines Cochlea-Implantats erfahren Sie auf hoerverlust.at

Wie auch immer, völlig frustriert, traumatisiert und von beklemmender Stille umgeben fühlt Ruben, wie ihm die Welt, seine Welt, entrissen wurde. Seine Freundin Lou überredet ihn, in ein Therapiezentrum für Gehörlose einzuziehen. Das Paar wird getrennt, Angehörige sind nicht willkommen. Erklärt wird das nicht.

Schon beim ersten Gespräch mit dem Leiter der Einrichtung wird es interessant: Auf die Frage, was er von der Möglichkeit einer Cochlea-Implantation hält, antwortet er mit klaren Worten: „Wir hier haben Lösungen für den Geist, nicht für die Ohren.“ Und weiter: Ruben müsse lernen, wie es ist, taub zu sein.

Nach einer ersten Orientierungslosigkeit findet sich Ruben mit der Zeit dann doch gut ein in der Gehörlosencommunity. Er lernt ein wenig Gebärdensprache, arbeitet mit im Schulbetrieb und fühlt sich sogar ein bisschen zuhause. Vielleicht ist das Gefühl der Geborgenheit auch seiner angedeuteten schwierigen Kindheit und Jugend geschuldet und weniger des Verlusts seines Gehörs.

Ruben, der im Gegensatz zu den meisten anderen in der Einrichtung vorher ein Leben hatte, das von Klängen umgeben war, setzt seine Hoffnungen dann doch lieber in eine Operation. Nachdem er seinen Campingbus, sein Zuhause, verkauft, erhält er in einer durchaus echt dargestellten OP-Szene zwei Cochlea-Implantate.

Als er nach dem Eingriff der Gehörloseneinrichtung seine Entscheidung gesteht, reagiert der Leiter mit eindeutigem Standpunkt: Er solle innehalten und wissen, dass diese Gemeinschaft ihn – im Gegensatz zum Hören, zur Welt – niemals im Stich lassen würde. Er erklärt ihm die Community als Konstante, Sicherheit. Dem Zuseher könnte sich allerdings der Gedanke aufdrängen, dass diese Einstellung fehlendem Mut vor dem Schritt ins wahre Leben gleichkommt, dass die Community einer sektenähnlichen Lebensform ähnelt.

Auf Rubens Frage, ob er aufgrund seiner prekären finanziellen Situation dennoch bis zur Aktivierung seiner Implantate in der Gemeinschaft bleiben könne, erhält er folgende unmissverständliche Antwort: „Die Bewohner glauben, dass Taubheit kein Handicap ist, nichts was man heilen müsste.“ Ruben erfährt, dass dieses Vertrauen niemals gebrochen werden darf und wird aufgefordert, die Gruppe unverzüglich zu verlassen. Er wird schlicht und ergreifend aus der Gemeinschaft verstoßen. In einem kleinen Augenblick, als Ruben ohne nachzufragen den Raum verlässt, meint man im Antlitz des gehörlosen Betreuers Bitterkeit, fast Neid zu erkennen. Neid für eine Möglichkeit, die er für sich nicht nutzen konnte.

Die Szene der Aktivierung. Für Kenner durchaus spannend: wie setzt Regisseur Marder diesen besonderen Augenblick um? In den ersten Einstellungen wirkt die Szene authentisch. Eine freundliche Audiologin erklärt Ruben das Vorgehen und macht ihn bereit für die Aktivierung. Dann wird der Moment doch zur filmischen Fiktion: Das Design der Audioprozessoren ist keinem Hersteller zuzuordnen. Das ist gut so, denn mit diesen Geräten, die offenbar nur eine einzige Anpassungssitzung notwendig machen, ist Ruben gar nicht glücklich. Geräusche, die vor seiner Ertaubung selbstverständlich waren, klingen fremd, metallisch. Vorbote für ein absehbares Filmende?

So stark der Streifen durch sein tadelloses Sounddesign beginnt, so enttäuschend transparent der Einfluss und die Positionierung der Gehörlosencommunity. In deren Welt wird ihre körperliche Einschränkung als Normalität gepriesen, das Leben in ihrer Blase als besonders friedvoll dargestellt. Platt und abgedroschen wirken Szenen wie aus zahllosen Filmen zum Thema, beispielsweise ihre Versuche, Musik ohne Hörvermögen begreifbar zu machen.

Rubens Schicksal schärft vor allem aber das Bewusstsein eines (großteils) hörenden Publikums dafür, dass das, was man rund um sich hören kann, nicht selbstverständlich ist und erst dann als wertvoll gilt, wenn man es verliert. Jeder, der hören kann und die Klänge der Welt erfahren durfte, wird im Falle des Falles jede Möglichkeit nutzen, diesen Sinn wiederzuerlangen. Und das können Cochlea-Implantate. Sie schenken taub Geborenen das Hören, in Österreich gleich 9 von 10 betroffenen Kindern. Sie können Erwachsenen den verlorenen Hörsinn komplett ersetzen und den Weg zurück ins gewohnte Leben ebnen. Das menschliche Gehirn benötigt nur ein wenig Zeit, um sich an dieses Wunderwerk der modernen Wissenschaft zu gewöhnen.

Im Film wurde Ruben diese Zeit nicht gegeben. Dem Publikum wird vermittelt, dass nur die Aktivierung des Systems, nur eine einzige technische Anpassung ausreicht, mit der Rubens Gehirn für den Rest seines erst jungen Lebens zurechtkommen muss.

Das Ende der Geschichte ist somit vorprogrammiert, um nicht zu sagen Programm. Der Musiker Ruben entscheidet sich schließlich gegen das neue Hören und alles, was ihm bislang wichtig und Essenz seines Lebens war – die Musik. Er entscheidet sich für ein neues Zuhause in der Welt der Gehörlosen.

Den Machern des Streifens fehlt der Mut zu zeigen, wofür sich die meisten in Rubens Situation entscheiden würden – zu hören. Stattdessen ist es ein Minderheiten-affiner Film mehr geworden, der die Community nicht verärgern will. Für manche mag das Filmende mit Poesie zu tun haben, einigen wird es beim Abspann aber nur Kopfschütteln abringen.

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