ADHEAR ist ein völlig neue System von MED-EL „um zu hören“ – eine Lösung für Menschen mit Schallleitungshörverlust, die sich keiner Operation unterziehen können oder möchten. ‚ad‘ steht auch für ‚a dato‘ – „von da an“: Seit es ADHEAR gibt, ist Hören mittels Knochenleitungs-Hörgerät auch ohne Druckstellen möglich!
Ein breites Produktportfolio implantierbarer Hörleistungen – das bietet MED-EL für verschiedene Arten von Hörverlust, darunter auch das erste aktive Knochenleitungsimplantat BONEBRIDGE. Das von DI Dr. Ingeborg und Prof. Dr. Erwin Hochmair gegründete Familienunternehmen zählt zu den Pionieren im Bereich der Hörimplantate. Mit dem neuen ADHEAR steht bei MED-EL erstmals auch ein nicht-implantierbares Hörsystem zur Verfügung. „Das hatte bisher gefehlt!“, freut sich die Produkt-Managerin Rosanne Fava.
Ad interim: Eine Lösung für die Zwischenzeit – oder für länger
Bei reiner Schallleitungsschwerhörigkeit bietet es sich an, den Schall direkt an das gesunde Innenohr zu führen. Dazu wird die Knochenleitung genützt: Knochenverankerte Implantate oder Knochenleitungshörgeräte wandeln den Schall in Vibration um und geben diese an den Schädelknochen ab. Der Knochen selbst leitet die Vibrationen an das Innenohr. Dort werde sie in Nervensignale umgesetzt und vom Hörnerv übernommen.
MED-EL bietet mit der BONEBRIDGE, dem einzigen aktiven knochenverankerten Hörimplantat, eine bewährte Lösung. Doch manche Implantat-Kandidaten schrecken vor einer Operation vorerst zurück, andere Patienten können aus medizinischen Gründen nicht operiert werden oder sie sind noch zu jung. Kinder mit angeborenen Fehlbildungen müssen bis zur Implantation eines knochenverankerten Hörimplantats warten, bis sie fünf Jahre alt sind. Sie alle müssen – zumindest vorübergehend – auf ein Knochenleitungs-Hörgerät ausweichen, wenn sie angemessen hören möchten. Auch für vorübergehende Schallleitungsprobleme, etwa im Zuge einer Mittelohrentzündung, könnte ein einfach handhabbares Knochenleitungs-Hörgerät helfen.
Ad acta: Ein Problem gehört der Vergangenheit an
Bei den bisherigen Technologien für Knochenleitungs-Hörgeräte wird der Knochenleitungshörer mit Kraft an die Haut gedrückt. Das ist für den Nutzer unangenehm und führt oft zu bleibenden Druckstellen – ähnlich wie schwere Brillen Vertiefungen auf den Nasenflügeln verursachen, doch oft heftiger als bei diesen.
ADHEAR besteht aus zwei Komponenten: einem selbsthaftenden Adapter und einem Audioprozessor. Der Adapter wird hinter dem Ohr auf der freien Haut fixiert, der Audioprozessor angeklickt und fertig: Stick.Click.Hear. Diskret hinter dem Ohr getragen, einfach in Handhabung und Wartung und ohne Druck auf die Haut auszuüben.
Der Schwede Patrik Westerkull hat über 20 Jahre Erfahrung mit Knochenleitungs-Systemen, war bei der Entwicklung des BAHA-Systems dabei und entwickelte als Gründer und CEO der schwedischen Firma Otorix die Technologie für das Ponto-System. Er kennt die Möglichkeiten und die Schwachstellen dieser Systeme sehr genau. Für seine neue Entwicklung nahm er die Anforderungen der Nutzer als Ausgangspunkt. Was außer physikalischem Wissen noch nötig war, beschreibt er in der Fachzeitschrift ENT and Audiology News: „Mut die Herausforderung anzunehmen, etablierte Lösungen in Frage zu stellen und Dogmen herauszufordern – der Rest war harte, systematische Arbeit.“
Ann-Louise McDermott ist HNO-Spezialistin für knochenverankerte Hörimplantate an der Kinderklinik Birmingham in England. Vor einem Jahr sprach sie mit den britischen Fachmagazin ENT and Audiology News über die Erfahrungen, die sie und ihre jungen PatientInnen im Zuge einer Studie mit der neuen Technologie gemacht haben. „Das System wird von Kindern und Jugendlichen so gut angenommen, weil ihnen ihr äußeres Erscheinungsbild sehr wichtig ist: Wie sie auf Gleichaltrige wirken.“ Sie ist von der neuen Entwicklung überzeugt: „Wir können den positiven Einfluss auf die Lebensqualität und Entwicklung dieser jungen Patienten bestätigen.“
Ad hoc: Für die vorliegende Situation entwickelt
„Schallleitungsprobleme sind in der Kindheit so häufig – eine nicht-implantierbare Lösung für ein Knochenleitungs-Hörgerät ist deswegen so wichtig“, aber: „Wer schon mit Knochenleitungs-Systemen gearbeitet hat, der kennt auch deren Schwäche – speziell wenn sehr kleine Kinder diese Geräte nutzen.“ Rosanne Fava weiß aus ihrer Erfahrung als Audiologin, wovon sie spricht. „Ein Knochenleitungs-Hörgerät, dass ohne Druck auf die Haut auskommt, kein Stirnband oder so benötigt, um an der richtigen Position zu bleiben und nicht ständig verrutscht: Das hat bisher gefehlt!“
Besonders eine stabile Position zu finden, das sei bei bisherigen Knochenleitungshörgeräten ein Problem. „Eine veränderte Position bedeutet ja immer einen veränderten Klangeindruck“, erklärt die Australierin, die nach Innsbruck übersiedelt ist, um bei MED-EL an besseren Lösungen für Hörbeeinträchtigte zu arbeiten. Speziell für diesen Anspruch entwickelte Westerkull die Technologie für ADHEAR. “Das Geheimnis des Pads ist das einzigartige mikro- und makroskopische Design des adhäsiven Teils – wie es haftet, den Schweiß transportiert und mit der Haut interagiert”, verrät er über seine Erfindung. Auch wenn der Prozessor abgenommen wird, der Haftpad bleibt an Ort und Stelle – sogar beim Duschen oder Schwimmen, bis zu einer Woche. Erst dann wird der nächste Adapter genau auf die gleiche Stelle geklebt. Dadurch ist der Klangeindruck besonders stabil.
„Der Prozessor kann direkt über dem Mastoid platziert werden, näher an der Cochlea“, beschreibt Expertin Ann-Lourise McDermott den Vorteil der Technologie gegenüber herkömmlicher Knochenleitungs-Hörgeräte. So ermögliche es gute audiologische Ergebnisse, während es gleichzeitig unauffällig sei – eine Eigenschaft, die besonders für Kinder und Jugendliche wichtig sei, deren Selbstbewusstsein erst in Entwicklung sei.
Dass ADHEAR auch von Normalhörenden abgehört werden kann, ist bei den ganz kleinen Nutzern ein Vorteil: Die Eltern können die Funktionsweise problemlos überprüfen.
„Knochenverankerte Implantate, bei denen die Vibration direkt an den Knochen abgegeben wird, sollten auch weiterhin für Patienten angedacht werden, wenn diese zusätzlich Schallempfindungs-Schwerhörigkeit haben“, resümiert Patrik Westerkull. „Doch obwohl wir uns bei unserer neuen Entwicklung auf die Bedürfnisse von Kindern konzentriert haben, können auch erwachsene Patienten von dem Konzept profitieren.“