Der Wert von guter Bildung

Eine kommentierte Zusammenfassung des heurigen Symposiums Dürnstein zum Wesen und Wert von Bildung.

Dürnstein

„Ich habe mir immer einen gebildeten Arbeiter zum Mann gewünscht“, so pflegte unsere betagte Nachbarin Grete Czepel im Wiener Gemeindebau in den 70er-Jahren zu sagen – und ließ mich mit der unausgesprochenen Frage zurück, was dabei mit Bildung gemeint sei. Als Schülerin setzte ich „gebildet“ nämlich primär mit dem Abschluss einer höheren Schule gleich, oder einer Universität – sind beides doch „Bildungseinrichtungen“.

Um den Begriff Bildung neu zu hinterfragen, besuchte ich im vergangenen März das Symposium Dürnstein zum Thema „Lebensmittel Bildung“, veranstaltet von der Niederösterreichischen Forschungs- und Bildungsgesellschaft NFB und heuer erstmals online übertragen aus dem Kremser Dom.

„Bildung ist zwecklos!“

Schon in der Begrüßungsrede missbilligte Barbara Schwarz, Geschäftsführerin der NFB, die Statements mancher Politiker, Schule „produziere am Markt vorbei.“ Kuratorin Ursula Baatz stimmte mit einem Shakespeare-Zitat in die Kritik ein: „Bildet man Menschen nur zu dem, was nützlich scheint, so nützt man sie als Sklaven.“

„So viel Welt wie möglich in die eigene Person zu verwandeln“ interpretiert Baatz als Bildung, was der Schriftsteller und Gelehrte Wilhelm von Humboldt vor 200 Jahren als „Leben im höheren Sinn“ bezeichnet hatte. Baatz ergänzte: „Ausbildung kann die finanziellen Grundlagen für den Lebensunterhalt liefern, Lebensqualität gründet sich aber auf Bildung.“ Zur reinen Ausbildung grenze sich Bildung ab, indem sie zweckfrei sei: etwas zu erlernen, das nicht verwertbar ist.

Die Philosophin und Publizistin Baatz umschrieb Bildung auch als „Formung menschlicher Fähigkeiten in eine gehörige Richtung“, womit die Vorstellung von Bildung an die Werte einer jeweils konkreten Zeit und Gesellschaft gebunden ist: So war Lesen, heute ein Basiselement für Bildung, im Mittelalter neben dem Klerus lediglich dem niederen Adel vorbehalten. In welchem Maß diese Fertigkeit in einer Welt fortschreitender Medientechnologie ihren Wert als Inbegriff für Bildung beibehält, könnte hier spekuliert werden.

© LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz-Vienna

„Bildung ist Überfluss!“

Zurück zu meiner früheren Nachbarin und ihrem gebildeten Arbeiter. „Bildung ist der Schlüssel zur Welt. Sie ist Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben“, heißt es auf der Webseite einer ursprünglich als Arbeiterbewegung formierten, österreichischen Partei.[1] Historisch gesehen sei es dabei auch um Bildung zum Zweck wirtschaftlichen Aufstiegs gegangen, erfuhr ich beim Symposium, aber noch mehr um einen Anteil am Schönen und um die Idee von der Würde des Einzelnen.

Beim „Schönen“ erinnere ich mich unwillkürlich, als eingangs erwähnte Nachbarin von ihrem Theater-Abonnement erzählte: europäische Hochkultur mit Goethe, Nestroy und Mozart. Schon schön – aber ein Gebiet, auf dem ich mich als Absolventin einer technisch orientierten Oberstufe fühle – wie eine Nichtschwimmerin mit porösen Schwimmflügel im Wellenbecken. „Mein Leben wäre ohne Mozart nicht anders verlaufen“, wetterte da Schriftsteller Michael Köhlmeier schon am ersten Abend des Symposiums. Ich war beruhigt.

Köhlmeier hat den Ruf, dass er auch unbequeme Tatsachen direkt anspricht. So verwarf er auch schon im nächsten Absatz die Idee, Bildung könne den Charakter eines Menschen zum Besseren ändern. Er forderte vielmehr: „Jeder Mensch hat das Recht, ohne Bildung durch das Leben zu gehen!“ Ja, eh. Aber auch das Recht darauf, mit Bildung zu gehen, wie mir scheint.

Von nachfolgenden Rednern musste sich Köhlmeier auch prompt vorwerfen lassen, den Bildungsbegriff unzulässig zu beschränken, schließe er doch viele weitere Aspekte aus: Herzensbildung, Persönlichkeitsbildung, Tradition und Sitte. Denn ja, Kultur habe auch mit Ästhetik, Sitte und Alltagskultur zu tun. Oder, wie Erziehungswissenschaftlerin Brigitte Fuchs einen gebildeten Menschen anhand der Tischsitten beschrieb, als den: „der Geschmack beweist, wo andere bloß Triebe befriedigen.“

Bildung hat mit Wahrnehmung zu tun

Wir leben heute in einer Wissensgesellschaft: Nie zuvor war es so leicht, Daten und Informationen zu sammeln. Für die philosophische Praktikerin Cornelia Mooslechner-Brüll geht es bei Bildung daher auch um die Ausbildung der eigenen Urteilskraft: „Erst ein gebildeter Mensch kann Informationen so verbinden, dass daraus Wissen entsteht.“ So gesehen wird Teilhabe erst möglich durch Bildung und deswegen geht es auch um die Möglichkeit zur Teilhabe jedes einzelnen an Bildung.

Alle Redner am Symposium waren sich einig: Ein Bildungsbegriff, der sich am Bildungskanon des 19. Jahrhunderts orientiert, sei dafür wenig hilfreich. Es brauche einen Ansatz, der Wahrnehmungs- und Reflexionsfähigkeit in den Fokus rücke. „Die Fähigkeit zu sich, zu anderen und zur Welt in ein reflektiertes Verhältnis zu treten“, so die Soziologin Gabriele Klein.

Bleibt die anfängliche Forderung von Barbara Schwarz: „Zuhören! Nicht immer alles annehmen, aber zuhören!“, sowie die Frage, wie weit Bildungsmöglichkeiten in diesem weit gedachten Sinn für alle Menschen verfügbar sind, barrierefrei – auch mit Hörproblemen.
[1]  https://www.spoe.at/bildung-als-schluessel-zur-freiheit/

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