Schriftdolmetsch – für mehr akustische Barrierefreiheit!

Schriftdolmetscher bieten das schriftliche Transkript auditiver Information – in Echtzeit und als Mitschrift zum Nachlesen. gehört.gelesen hat mit der erfahrenen Schriftdolmetscherin Gudrun Amtmann gesprochen.

Ein wenig Stolz klingt in der Stimme von Gudrun Amtmann mit, wenn sie von ihrer langen Erfahrung „mit dem Tippen“ erzählt:

Ich habe mit 17 Jahren begonnen zu tippen und bin damals nach Leistung bezahlt worden: 1987 habe ich 200 Schilling in der Stunde verdient – das war für mein Alter ziemlich gut.

Als ich nach langer Zeit im Ausland im Jahr 2008 nach Österreich zurückgekommen bin, habe ich nach einer passenden Tätigkeit für mich gesucht. Transkribieren war da die ideale Antwort. Meine Intention war es dabei, etwas zu finden, bei dem ich 1:1 mitschreiben kann.

Schriftdolmetschen war damals noch etwas ganz Neues?

Die ersten Schriftdolmetscher haben in den 1930er Jahren in Skandinavien zu arbeiten begonnen, schon mit einem Kürzelsystem, aber damals noch ohne Computer. Die Menschen mit Hörproblemen mussten daher die Kürzel lernen.

Der Österreichische Schwerhörigenbund Dachverband ÖSB hat dann 2009 im Rahmen eines EU-Projekts begonnen, den Beruf des Schriftdolmetschens in Österreich zu etablieren. 2011 ist der erste Lehrgang zu Ende gegangen, seit 2011 ist trans.SCRIPT die Anlaufstelle des ÖSB für Schriftdolmetschen und deren Kunden.

Ich habe dann am zweiten Lehrgang beim ÖSB in Wien teilgenommen.

Heute muss ich aber keine Kürzel lernen, wenn ich Ihre Hilfe nützen möchte?

Nein, natürlich nicht. Heute setzt ein spezielles Computerprogramm die Kürzel um. Ich habe dazu für die deutsche Sprache ein Wörterbuch mit etwa 33.000 Kürzeln. Zusätzlich programmiere ich im Vorfeld jedes Settings weitere Kürzel für das dort zu erwartende Wording. Für unser Gespräch hätte ich zum Beispiel für Ihren Namen, Eva Kohl, das Kürzel ek1 vorbereitet.

Geübte Zehnfingerschreiber sollten bei einem 10-Minuten-Test 200 bis 400 Anschläge pro Minute erreichen, bei längeren Texten fällt die Zahl der Anschläge aber geringer aus. Sie müssen als Schriftdolmetscherin wohl noch um einiges schneller tippen?

Für Schriftdolmetscher sind die Mindestanforderungen 400 Zeichen pro Minute, so wird es bei der Prüfung verlangt. In Wirklichkeit schreiben wir im Lauf der Zeit immer schneller. Ich bin bei etwa 650 bis 700 Zeichen pro Minute – mit Spitzen bis zu 920 Zeichen pro Minute bei Themen, die mir sehr geläufig sind.

Wir unterscheiden zwischen Anschlägen und Zeichen pro Minute. Aus den drei Anschlägen „ek1“ werden bei „Eva Kohl“ zum Beispiel ganze zehn Zeichen, die Großstell- und Leertaste mit eingerechnet. Für die Bewertung der Geschwindigkeit ist es wichtig, immer genau zwischen Anschlägen und Zeichen zu unterscheiden.

Wo kommen Sie als Schriftdolmetscherin zum Einsatz?

Das beginnt im Bildungsbereich an der Schule, üblicherweise ab der Fünften Klasse des Gymnasiums. Meiner Meinung nach wäre es schon früher möglich, sobald junge Menschen entsprechend lesen können.

Wir schauen auch darauf, dass wir uns auf die Lesegeschwindigkeit unserer Klientel einstellen und entsprechend zusammenfassen. Es hat ja niemand etwas davon, wenn ich mit 920 Zeichen pro Minute dolmetsche, die Nutzer aber eine andere Lesegeschwindigkeit haben.

Ich markiere auch jene Dinge, die offensichtlich wichtig sind, oder die an der Tafel stehen.

Was passiert bei Wortmeldungen anderer Schüler?

Die werden auch mitgeschrieben. Das geht am besten, wenn wir im Unterricht präsent sind.

Wir dolmetschen aber auch online. Da kann es dann schwierig sein, Zwischenrufe und -fragen zu hören. Deswegen bitten wir die Lehrer, dass sie Fragen und Zwischenrufe der Schüler wiederholen. Für die Lehrkräfte ist das anfangs manchmal gewöhnungsbedürftig. Wenn die Lehrer so eine Mitschrift aber sehen, und dann steht mehrmals „kein Mikrofon“, dann verstehen sie, warum wir darum bitten. Die Zusammenarbeit entwickelt sich da meist sehr gut.

Und nach der Schule?

Wir können auch in der Lehrzeit für die Berufsschule bestellt werden, für die Universität und selbstverständlich auch von Erwachsenen für berufliche Termine und für die Aus- und Weiterbildung.

Neben dem Bildungsbereich dolmetschen wir auch bei Arztgesprächen oder Krankenhausbesuchen, bei Gerichtsverhandlungen und Lokalaugenscheinen, und natürlich sind wir regelmäßig bei diversen Veranstaltungen und Tagungen im Einsatz – bis hin zu politischen Veranstaltungen, zum Beispiel Gemeinderatssitzungen.

Wer finanziert das?

Für Schriftdolmetschen in der Schule übernimmt die jeweilige Bildungsdirektion die Kosten für sieben Stunden pro Woche. Die jungen Menschen können sich aussuchen, welche sieben Stunden sie gern gedolmetscht hätten. Das wird nach der Schwierigkeit des Themas entschieden, aber zum Beispiel auch danach, wie deutlich ein Lehrer spricht. Der Antrag wird in Zusammenarbeit mit dem Behindertenbeauftragten der Schule, wenn es einen gibt, und der Direktion der Schule eingereicht, gemeinsam mit einem Kostenvoranschlag von uns – wobei es für das Schriftdolmetschen an der Schule einen festgesetzten Preis gibt.

Für manche andere Situationen übernimmt das Sozialministeriumservice, das SMS, die Kosten, auch im Bildungsbereich: bei der Lehre zum Beispiel. Das SMS fördert auch Schriftdolmetschen bei beruflichen Fortbildungen: Dafür ist es hilfreich, wenn der Arbeitgeber die Notwendigkeit der Fortbildung schriftlich bestätigt.

Gibt es auch Förderungen bei Bildungsveranstaltungen außerhalb des beruflichen Spektrums: bei Sprachkursen, Kursen für Hobbys oder im Bereich Persönlichkeitsbildung?

Wenn sich diesbezüglich jemand bei mir meldet und fragt, werde ich mich um ein entsprechendes Ansuchen gern in Zusammenarbeit mit VOX, dem Schwerhörigenzentrum Wien, bemühen. Aber prinzipiell ist für den privaten Bereich in Österreich keine Förderung vorgesehen.

Mit welchen Kosten muss ich rechnen, wenn ich Ihre Unterstützung privat finanzieren muss?

Die Basiskosten liegen bei Einzelbesetzung bei € 75 pro Stunde. Dazu kommen bei Online-Einsätzen gegebenenfalls der Technikcheck, bei Präsenzsettings die An- und Abreise, die technische Vorbereitung und eventuell Übernachtungskosten.

Ab einer Länge von 60 Minuten arbeiten wir normalerweise zu zweit, um uns beim Dolmetschen abzuwechseln. Das wirkt sich entsprechend auf die Kosten aus. Ab einer Einsatzzeit von einer Stunde könnte nicht nur die Konzentration sinken, was sich auf die Qualität auswirken könnte, sondern man müsste auch Verspannungen und Schmerzen befürchten.

Seit 2016 sind Sie auch als Ausbildnerin für Schriftdolmetscher tätig. Wie viele stehen zurzeit in Österreich zur Verfügung? Sind es genug?

Der ÖSB hat über die Jahre etwa 40 Schriftdolmetscher und Schriftdolmetscherinnen ausgebildet, von denen noch rund zehn in diesem Bereich arbeiten. Mittlerweile gibt es aber auch andere Anbieter für die Ausbildung. trans.SCRIPT bietet die Möglichkeit, die Ausbildung im Einzelcoaching zu absolvieren. In Österreich arbeiten augenblicklich etwa 30 bis 40 zertifizierte Schriftdolmetscher und Schriftdolmetscherinnen.

Die Möglichkeit des Schriftdolmetschens ist in Österreich immer noch nicht sehr bekannt. Wenn die meisten Menschen, die das benötigen könnten, davon wüssten, würde der Bedarf sicher enorm steigen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse schwerhöriger und gehörloser Menschen klarer werden. Bei Veranstaltungen heißt es oft: „Wir haben ja schon Gebärdensprachdolmetscher. Wozu brauchen wir dann Schriftdolmetscher?“ Oder auch umgekehrt: Ich hatte letzte Woche ein Gespräch mit einem Veranstalter, der sich wunderte: „Ich habe eine Anfrage wegen eines Gebärdensprachdolmetschers bekommen. Aber den brauchen wir dann ja nicht, wenn Sie als Schriftdolmetscher kommen?“ Da wünsche ich mir mehr Bewusstseinsbildung.

Ich wünsche mir mehr Verständnis für schwerhörige Menschen, mehr Wissen darüber, welche Möglichkeiten es gibt und dass die akustische Barrierefreiheit in Österreich zu einer Selbstverständlichkeit wird.

Mit dem Equipment für mobile Settings kann Gudrun Amtmann als Schriftdolmetscherin auch unterwegs, zum Beispiel im Museum, unterstützen.“ © Martin Lusser

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