Die Wirkung des Lachens

Gelotologie ist die Wissenschaft von der Wirkung des Lachens auf Psyche und Körper. Sie zeigt, wie wir mit Humor Gesundheit und Lebensqualität verbessern können.

„Als wir mit unserer Tochter beim Impfen waren, waren dort auch die CliniClowns unterwegs. Die Clowns sind letztlich der bleibende Eindruck, den sie von der Impfung hat“, beschreibt Margit Graf den entspannenden Effekt der Clownbegleitung. Nicht nur Angst vor Injektionsspritzen und Impfungen, auch die Pandemie selbst und deren Begleiterscheinungen wie Lockdown, Wirtschaftskrise und Grenzen der Ressourcen im Gesundheitssystem haben vielen Menschen das Lachen vergehen lassen. Dabei könnte gerade Humor uns durch die Krise helfen und unsere Lebensqualität auch in herausfordernden Phasen verbessern.

Psychotherapeut Mag. Bernd Anton Eilbauer, MSc, hat sich in Diplomarbeit und Master-Thesis mit Lachen und Humor auseinandergesetzt: „Humor ist der Überbegriff für alles, was komisch, witzig, lustig ist. Es löst den sogenannten Humor-Response aus: das Lachen oder Lächeln. Es belebt, tut gesundheitlich gut, mit Lachen kann ich eine gehobene Stimmung erzeugen. Kennzeichen des Humors ist, dass etwas mit einer gewissen Inkongruenz und Unvorhergesehenheit passiert, was aber nicht allzu ängstigend ist – und dann bricht das Lachen einfach aus mir heraus.“

„Lachen ist nach außen gerichtet, für jeden wahrnehmbar. Warum Sie lachen, ist aber nur Ihnen vertraut. Hinter dem Lachen kann auch ein anderes Gefühl stecken: Erschrockenheit, Scham, Angst – oder eben auch Freude“, erklärt Mag. Dr. Doris Bach schon 2018 im Interview mit Radio Werk-Klang. Die Klinische Psychologin ist Präsidentin des CliniClowns Forschungsvereins und Universitätslektorin für Angewandte Psychologie an der Universität Wien. „Jedes Lachen hat den Effekt, dass es mehr Sauerstoff ins Gehirn transportiert und die Immunabwehr stärkt. Lachen wirkt auf unser Herz-Kreislaufsystem, reduziert Spannung, Angst und Stress.“

Selbstversuch Lachtherapie

Schon Anfang der 1970er Jahre war bekannt, dass sich negative Emotionen ungünstig auf einen potentiellen Krankheitsverlauf auswirken. Damals erkrankte in den USA der Wissenschaftsjournalist Norman Cousins an Spondylarthritis, einer schmerzhaften, entzündlichen Gelenkserkrankung – in Cousins´ Fall mit schlechter Prognose. Um sich vor negativen Gefühlslagen zu schützen, sah sich Cousins jeden Tag lustige Videokassetten an.

Cousins beobachtete bald, dass ihm schon zehn Minuten Lachen etwa zwei Stunden schmerzfreien Schlaf ermöglichten. Heute weiß man, dass mit dem Lachreflex Hormone mit morphiumähnlicher Wirkung ausgeschüttet werden. Im Widerspruch zu den ärztlichen Prognosen gingen sogar Cousins´ Gelenksentzündungen zurück. Heute weiß man, dass beim Lachen weitere Hormone ausgeschüttet werden, die sogenannten Katecholamine. Sie wirken entzündungshemmend.

Norman Cousins ist schließlich völlig genesen. Sein Krankheits- und Genesungsbericht erschien 1977 im New England Journal of Medicine, seine Erfahrungen legten den Grundstein für die sogenannte Lachtherapie, auf die auch Lachyoga und die Aktivitäten verschiedener Lachclubs fußen. „Durch Lachen schaltest du dein Gedankenkarussell aus. Du steigst aus. Du fühlst dich nach einiger Zeit besser, es fühlt sich leichter an“, beschreibt es Mag. Nina Fuchs auf ihrer Seite. Die Apothekerin der Cottage Apotheke in Wien-Währing gründete dort 2017 ein Lachzentrum mit regelmäßigen Treffen zum Lachyoga. „Dem Körper ist es egal, aus welchem Grund du lachst oder auch, ob du ohne Grund lachst. Er schüttet Glückshormone und Glücksbotenstoffe aus. Diese aktivieren wiederum deine Killerzellen und stärken so dein Immunsystem.“

Gelotologie – die Wissenschaft vom Lachen

Schon Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieb der Wiener Neurologe und Begründer der Psychoanalytik Siegmund Freud Humor als einen der stärksten Abwehrmechanismen: Erzählt man Witze, muss man sich selbst nicht zeigen, sondern kann sich hinter dem Witz verstecken. Lachen kann so zum Ventil werden, um auf sozial akzeptierte Weise Wut und Ärger auszudrücken. Doch erst die Vertreter späterer, humanistischer Therapierichtungen widmeten sich verstärkt menschlicher Emotionalität und menschlichem Selbstausdruck – und damit auch dem Humor.

Der US-amerikanische Psychologe Anthony Galt Greenwald soll 1977 gesagt haben: „Ich bin sehr erstaunt, dass sich jetzt die Psychologen mit dem Humor beschäftigen. Es ist fast so skurril, als ob sich die Kirche mit dem Sex beschäftigt: Sie werden der Sache den Spaß nehmen.“ Bach, Präsidentin des CliniClowns Forschungsvereins, pflichtet ihm bei: „Wenn ich mir die Forschung so ansehe – die Fragebögen, die Vermessungen, die Lachwinkel – dann ist manchmal Humorforschung gar nicht lustig.“

Gelotologie, wie sich die Humorforschung nennt, beschäftigt sich mit wissenschaftlichen Methoden mit jener Wirkung des Lachens auf den Körper, wie sie Norman Cousins empirisch erlebte. Erforscht wird, welche Hormone und Botenstoffe durch Lachen ausgelöst werden und wie sie sich physisch und psychisch auswirken. Gelotologie beschreibt auch das pathologische Phänomen Lachen bei neurologischen Erkrankungen. Einen festen Platz hat Lachen mittlerweile in der Psychotherapie, besonders bei der Traumabewältigung.

Humor als Differenzialdiagnostikum

„In der Psychose gibt es kein Humorverständnis. Doch selbst schwer traumatisierte Menschen können schlimme Situationen gerade durch humorvolle Verarbeitung gut aushalten.“ Psychotherapeut Eilbauer möchte sich aber keinesfalls als Witzeerzähler sehen: „Es geht um die Art des Umgangs mit jenem Problem, mit dem ein Klient zu mir kommt. Humor kann dieses Stück Transzendenz bewirken, aus der Ernsthaftigkeit auszusteigen, sich von der realen Situation ein Stück weit zu distanzieren und auch über sich selbst lachen zu können.“

So kam ein Ehepaar zu Eilbauer in Therapie, weil die Eheleute mit dem plötzlichen Tode des knapp 20-jährigen Sohns in Folge einer Tumorerkrankung nicht fertig wurden. „Ich habe die beiden gefragt: Ihr Sohn war ja unheimlich begabt und kreativ. Solche Kinder stellen in der Regel auch unglaublich viel an. Beide haben zu erzählen begonnen, was dieses Kind alles angestellt hat. Das hat sich immer mehr aufgeschaukelt und beide haben über diese Geschichten schallend zu lachen begonnen.“ Dieses Lachen hat quasi den Gefühlen der Eltern eine Schleuse gebaut: Dem Lachen folgten Tränen. „Es hat sich etwas gelöst.“

Auch außerhalb einer Therapie kann Humor kathartische Funktion haben. Eilbauer verweist auf den Leichenschmaus nach einem Todesfall. „Da ist vorher das Begräbnis mit aller Schwere und aller Trauer. Anschließend geht man vom Friedhof weg, wechselt also wirklich den Ort. Und dann werden Geschichten erzählt über den Verstorbenen, es wird gemeinsam gelacht. Das hat etwas Versöhnliches und Wohltuendes. Solch ritualisierte Formen sind unglaublich hilfreich zur Bewältigung.“ Die Psychologie unterscheide aber zwischen hilfreichem und schädlichem Humor. „Es geht darum, warmherzigen Humor in empathischer Situation entstehen zu lassen und alles zu vermeiden, was in Richtung Sarkasmus, Zynismus und Abwertung geht.“

Miteinander lachen, nicht übereinander!

Sagt der Taube zum Blinden: „Ich kann echt keine Behindertenwitze mehr hören.“ Antwortet der Blinde: „Das sehe ich genauso!“ Ob man über Menschen mit Behinderung genauso lachen darf wie über nicht behinderte Personen, fragt Psychologin Elisabeth Marschner, MSc, in ihrem Beitrag „Humor ist kein Handicap!“[1] oder umgekehrt, ob übertriebene „Political Correctness“ sich sogar hemmend auf echte Inklusion auswirke? Wie Psychotherapeut Eilbauer bei traumatischen Erlebnissen, so beschreibt Marschner auch bei körperlichen Behinderungen, besonders bei erworbenen, die versöhnliche Wirkung von Humor. Demenz-Betroffene würden besonders in der Anfangsphase Humor auch nutzen, um sich selbst vor peinlichen Situationen zu schützen und ihr Gesicht zu wahren.

Marschner verweist auf die Forderung von Dr. Claudia Gottwald, Wissenschaftlerin für inklusive Bildungsprozesse: Nicht über Behinderte zu lachen, sondern – gemeinsam mit den Betroffenen – über die Behinderung; über jene Barrieren, die durch diese Behinderung im Alltag erlebt werden. Witz sei aber nie Rechtfertigung für Demütigung oder Diskriminierung, die auch bei humorvollen Äußerungen zu verhindern seien!

Besondere Sensibilität bedarf humorvoller Umgang mit Betroffenen einiger psychischer Erkrankungen oder intellektueller Einschränkungen. „Im Kontakt mit unbeeinträchtigten Kindern kann man meist intuitiv einschätzen, was sie lustig finden“, beschreibt Marschner den „schmalen Grat zwischen Humor und Verletzung“ bei Menschen, deren kognitiver Entwicklungsstand dem eines Kindes entspricht. Sie nennt soziale Sensitivität, die Fähigkeit zum abstrakten Denken und das Unterscheiden von eigenen und geteilten Wahrnehmungen, im Fachjargon „Theory of Mind“ genannt, als Voraussetzungen für Humorverständnis. „Theory of Mind“ ist auch bei hörbeeinträchtigt geborenen Menschen oft ein schwieriges Thema. [2] Um Humor auf Basis von Wortwitzen, Klangähnlichkeiten zwischen Wörtern oder witziger Aussprache zu verstehen, benötigen hörbeeinträchtige Menschen viel Aufmerksamkeit beim Zuhören.

Einschließender Humor fördert das Miteinander

„Humoraustausch unter gut Hörenden unter der Anwesenheit eines nicht gut Hörenden, in der Annahme er oder sie würde eh alles verstehen, ist durchaus riskant“, warnt MR Priv.-Doz. Dr. Johannes Fellinger. Als Vorstand des Instituts für Sinnes- und Sprachneurologie in Linz sowie Gründer mehrerer Gehörlosenambulanzen und weiterer Projekte für Gehörlose hat der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Neuropädiatrie umfangreiche Erfahrungen mit den Auswirkungen von Hörproblemen im Alltag. Gemeinsames Lachen setze voraus zu wissen, worüber gelacht wird. „Oftmals fühlen sich Menschen mit Hörschädigungen betroffen, wenn andere plötzlich lachen, weil sie noch nicht wissen, worum es geht. Das Phänomen des Etwas-später-die-Information-Erhaltens ist leider ständiger Begleiter im Leben hörbeeinträchtigter Menschen.“

„Ich halte es aber für äußerst wichtig, dass man gemeinsame Lachanlässe realisiert und auch komische Situationen, Übertreibungen und Ähnliches durchaus in den Alltag integriert. Aber nur bei gesichertem Verständnis entfaltet Humor seine Wirkung.“ Fellinger empfiehlt als Basis für humorvolle Äußerungen daher das Einzelgespräch: „Wenn man das Verstehen des Gegenübers auch durch den zustimmenden Blickkontakt absichert.“

Bei Menschen mit mehrfachen Beeinträchtigungen mit jeweils unterschiedlichem Einfluss auf das Humorverständnis ist besonders viel Sensibilität gefragt. Beispielsweise Slapstick oder Grimassen können aber nonverbal und in jedem Entwicklungsstand als humorvoll verstanden werden. Denn: „Humor ist für alle da!“, resümiert auch Elisabeth Marschner in ihrem Beitrag. „Humor hat laut Duden mit den Unzulänglichkeiten des menschlichen Lebens zu tun. Glücklicherweise gibt es in unserer Gesellschaft eine Entwicklung zu mehr einschließendem Humor. Die positiven Auswirkungen spiegeln sich in der Lebensqualität aller Beteiligten.“

Humor kann man lernen!

Bleibt die Frage: Was machen, wenn einem einfach nicht zum Lachen ist. Der Freiburger Diplom-Pädagoge und studierte Kommunikationswissenschaftler Gerd Hasenjäger regt im Interview mit der „Badischen Zeitung“[3] zur „Marsmenschmethode“ an: „Man stellt sich vor, wie man als Marsmensch die Welt betrachtet: Menschen vergeuden Ressourcen, machen witzige Dinge wie in Häusern wohnen, in Diskotheken zappeln oder stundenlang auf Bildschirme gucken. Wenn dann jemand auf einen zukommt, dann denkt man sich: Der bewegt sich und spricht, das ist ja recht lustig!“

Für Hasenjäger ist Humor vielfach Technik, für die man Untertreibung, Übertreibung oder absurde Verbindungen nützt. Gelassene Heiterkeit habe aber nichts mit Sprücheklopfen zu tun. Es sei die spezielle Art, Unzulänglichkeit der Mitmenschen und der Welt wahrzunehmen. Der Coach und Trainer für mentale Gesundheit ist überzeugt: „Humor kann man lernen, genauso wie Mathematik und Physik!“

[1] in: „Wenn dir ein Clown ins Leben tanzt“, Mandelbaum-Verlag 2017 – siehe Lesetipp

[2] siehe gehört.gelesen Ausgabe 71 – 2.2020 „Hören und Sozialkompetenz“

[3] https://fudder.de/paedagoge-humor-kann-man-lernen-genauso-wie-mathematik–200014539.html

„Wenn dir ein Clown ins Leben tanzt“: Herausgeber Doris Bach, Birgit Rathmaier und Wolfgang Sünder stellen Erkenntnisse aus der Humorforschung vor. Erschienen 2017 im Mandelbaum-Verlag, ISBN: 978385476-815-9

Lachtherapie mit Clowns

Heute sollen Clowns Humor in Behinderteneinrichtungen, Spitälern, Geriatrie- und Hospizeinrichtungen bringen – oder in die Kinder-Impfstraße. „Lachen verändert nicht den Schmerz und negiert nicht die Tragik einer gegebenen Krankheit. Trotzdem kann Lachen für einen Moment ein bisschen Leichtigkeit ins Leben bringen“, erklärt Doris Bach von den CliniClowns. „Der CliniClown darf sich als Clown kleine Missgeschicke und Defizite erlauben. Damit kann er die Patienten hinauszaubern aus einer Atmosphäre, die sonst streng reglementiert ist. Der Clown hinterlässt dann meist eine Nase, Seifenblasen oder ein anderes kleines Geschenk, das an die Clown-Visite erinnert und sie damit nachhaltig macht.“

Die erste Visite eines CliniClown fand 1991 im Wiener St. Anna Kinderspital statt. 2020 waren 77 CliniClowns zu 837 Visiten auf der Kinderstation, bei der Tumortherapie und auf der Dialyseambulanz, sowie im Geriatrie- und Palliativbereich – gerade halb so viele wie im Vorjahr. Die Corona-Pandemie hat auch die CliniClowns gezwungen, alternative Wege zu beschreiten: Hof- und Gartenkonzerte, Online-Besuche und Videobotschaften.

CliniClowns haben einen Primärberuf im medizinischen, psychologischen, psychotherapeutischen oder sozialen Bereich und zusätzlich eine Clown-Ausbildung. Anders bei den ROTE NASEN Clowndoctors, die seit 1994 in Österreich arbeiten. Deren Clowns sind darstellende Künstler, die in einem Kurs auf die Arbeitssituation Klinik vorbereitet werden.

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