FCEI-Konferenz 2022: Kommunikation ist wichtig!

Von 8. bis 10. Juni 2022 fand in Bad Ischl die fünfte Konferenz über Familienzentrierte Frühförderung für taube oder schwerhörige Kinder statt. Dank hybriden Aufbaus können Interessenten bis Ende 2022 noch online teilnehmen.

©Joe DesGeorges

FCEI steht für „Family Centered Early Intervention“, auf Deutsch: Familienzentrierte Frühförderung. Die FCEI-Konferenz führt alle zwei Jahre im Salzkammergut Familien, Fachleute und Selbsthilfegruppen aus Europa und der ganzen Welt zusammen. Themen sind die Herausforderungen und mögliche Unterstützungen für betroffene Kleinkinder und deren Familien. Pandemie-bedingt musste die Konferenz 2020 ausfallen und konnte heuer erstmals wieder wie gewohnt stattfinden.

Das Team um Prof. Dr. Johannes Fellinger und Doz. Dr. Daniel Holzinger vom Institut für Sinnes- und Sprachneurologie der Barmherzigen Brüder in Linz organisierte vor zehn Jahren erstmals die Konferenz, um alle an Frühförderung beteiligten Seiten zu vernetzen sowie den internationalen Austausch zur Thematik zu fördern. Das heurige Motto „Umfassende Vielfalt für eine bessere Zukunft“ wurde durch die Vielfalt der 270 Teilnehmer aus 32 Ländern im Kongresshaus Bad Ischl widergespiegelt, sowie durch die Vielfalt der Beiträge.

Traditionelles und Neues – bei der Konferenz und in der Frühförderung

Schon bei der Eröffnung der Konferenz kündigte Doz. Holzinger eine Neuauflage des Grundlagenpapiers zur Familienzentrierten Frühförderung an. Das Hauptprogramm, das im Theatersaal und teilweise parallel in drei Seminarräumen stattfand, beinhaltete heuer besonders viele Vorträge zu den Bereichen Lebensqualität, psychosoziale Kommunikation und vielfache Bedürfnisse bei mehrfachen Beeinträchtigungen. Vom schon traditionellen Eröffnungsempfang in der Trinkhalle in Bad Ischl sowie vom Galaabend im Kongresshaus wurde die Veranstaltung umrahmt und bot so auch reichlich Gelegenheit zum informellen Austausch. Berührend war die posthume Ehrung der CI-Mutter und FCEI-Aktivistin Jacqueline Oduor Muchilwa, die im Vorjahr an Corona verstorben ist, sowie die Begrüßung einer Delegation aus der Ukraine, die unbeeindruckt vom Kriegsgeschehen mit den dort verbliebenen Kindern weiterarbeitet.

„Heuer waren bei uns mehr Interessenten, als in den Vorjahren“, freut sich Hans Horak,  Vereinsgründender Obmann des CIA. Gemeinsam mit Schriftführer Michael Wollrab hat er den CIA-Infostand betreut. CIA war von Anfang an bei den FCEI-Konferenzen immer dabei. „Ich habe gelernt, wie vielfältig die Problematik hörbeeinträchtigter Kinder ist. Die internationale Zusammenarbeit hat mich immer begeistert. Heuer durfte ich auch viele Vortragende mit CI kennenlernen!“ Gefreut hat sich unser Obmann auch über die vielen aus den Vorjahren bekannten Gesichter, die er endlich wiedertreffen durfte: „Das allein macht es schon wert, dabei zu sein!“

Unterstützt wird die Konferenz seit ihrer Premiere 2012 von MED-EL, deren Mitarbeiter heuer neben technischen Möglichkeiten von Hörimplantaten auch verschiedene Materialien zur Förderung hörbeeinträchtigter Kinder vorstellten: darunter das neue Hörtraining MusicalEARS mit einer Vielzahl musikalischer Aktivitäten für Kinder. Es soll im Wintersemester verfügbar werden.

Hohes Risiko für soziale Probleme und Verhaltensauffälligkeiten

„Die Familien kommen meist zu uns, wenn die Kinder in Kindergarten oder Schule Probleme im sozialen Umgang haben“, erklärte Jolanta McCall im Gespräch. Sie arbeitet am Seashell Trust, einer charitativen Organisation im Großraum Manchester in England, welche hörbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche mit meist mehrfachen Beeinträchtigungen betreut. McCall‘s Erfahrung gemäß sind die schon viel früher festgestellten Höreinschränkungen für die Familien oft kein Grund, die Angebote von Seashell Trust zu nützen, speziell wenn andere Behinderungen im Kleinkindalter dominieren. Erst durch die psychosozialen Folgen werde augenscheinlich, wie dringend eine Hörförderung sei.

Die Literatur zeigt, dass Kinder mit Hörverlust öfter verhaltensauffällig sind und Probleme im sozialen Umfeld haben. Zahlreiche Präsentationen bei der Konferenz befassten sich mit Fragen, wie es zu diesem Risiko kommt und wie schon die Frühintervention vorbeugen kann. So wurden neben der sogenannten Theory of Mind[1] die Fähigkeit diskutiert, Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken, sowie die Selbstkontrolle beim Umgang mit Emotionen.

Jesper Dammeyer von der Universität Kopenhagen in Dänemark zeigte in seiner Präsentation überdies auf, dass Kinder mit Höreinschränkungen auch ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen aufweisen. Ursache könnten auch hierfür Probleme bei der Kommunikation sein, ausgelöst durch die Hörbeeinträchtigung und andere Einschränkungen. Da Cochlea Implantate diese Kommunikationsfähigkeit fördern, können sie zumindest teilweise entgegenwirken, so Dammeyer. Doch auch er betonte, es sei gerade bei hörbeeinträchtigten Kindern wichtig, Kommunikation und sozial-emotionale Fähigkeiten gezielt zu fördern.

Internationaler Konsens über Familienzentrierte Frühintervention

Neugeborenen-Hörscreening ist in Österreich seit Jahren obligatorisch. Sinnvoll wird das aber erst, wenn einer Diagnose auch unmittelbarer und freier Zugang zu geeigneter Intervention folgt. Einen solchen fordert das Grundlagenpapier[2] der FCEI. Erstmals von einer Expertengruppe aus Eltern, gehörlosen Fachkräften, Experten der Frühintervention und Wissenschaftlern aus zehn Nationen bei der FCEI-Konferenz im Juni 2012 erarbeitet, umfasst es die wesentlichen Prinzipien familienzentrierter Frühintervention für Kinder mit Gehörlosigkeit oder Schwerhörigkeit.

Bei familienzentrierter Frühförderung sollen die Familien in einer ausgewogenen Partnerschaft mit den betreuenden Fachkräften von diesen mit Wissen, Informationen und Erfahrungen unterstützt werden: So gut, dass die Eltern dann über Förderung und Erziehung ihrer Kinder selbst entscheiden können. Gemeinsam sollen Familien und Fachkräfte ein optimales Umfeld für den Spracherwerb des Kindes schaffen. Regelmäßige Kontrollen sollen eine optimale Entwicklung absichern.

In der Neufassung des Consenus Statements sollen nun die Erfahrungen von Eltern und erwachsenen Betroffenen stärker eingebracht werden sowie neue wissenschaftliche Erkenntnisse miteinfließen. „Bisher war das Papier doch sehr an der westlichen Welt orientiert“, erklärt Doz. Holzinger, warum auch eine internationalere Perspektive angestrebt wird. Checklisten zur Überprüfung der Umsetzungstreue und eine einfach zu lesende Version sind geplant.

[1] http://www.fcei.at/unit/fcei/positionstatement/fcei

[2] Siehe gehört.gelesen Ausgabe 2.2020

Familienzentrierte Frühförderung in Österreich

Bei konventioneller Frühförderung entwickeln Fachleute ein Förderkonzept angepasst an die Stärken und Defizite des betreuten Kleinkindes. Sie üben mit dem Kind und unterweisen die Eltern, wie sie ihrerseits mit dem Kind üben sollen. Inspiriert vom Colorado Home Intervention Programm CHIP erkannten Doz. Dr. Daniel Holzinger und Prof. Dr. Johannes Fellinger vom Institut für Sinnes- und Sprachneurologie der Barmherzigen Brüder in Linz, wie wichtig gerade bei der frühen Förderung hörbeeinträchtigter Kleinkinder ein familienzentrierter Ansatz ist: Das Kind nicht isoliert zu betrachten, sondern die Ressourcen und Herausforderungen der gesamten Familie in das Förderkonzept einzubeziehen.

Das Familienzentrierte Linzer Interventionsprogramm für Familien mit Kindern mit Hörverlust FLIP betreut seither betroffene Familien in Oberösterreich. In St. Pölten wurde das Konzept als FLIPiN umgesetzt. Beide Teams bekennen sich zu den drei Grundsäulen Familienzentrierter Frühförderung, auf Englisch: “Family Centered Early Intervention” FCEI, wie sie von Marilyn Espe-Sherwindt 2008[1] zusammengefasst wurden: statt der Defizite die Stärken der Kinder zu betonen, die Familien zu eigenverantwortlichen Entscheidungen über Art und Ausmaß der Unterstützung zu ermächtigen und zwischen Familie und Fachkräften eine kooperative Beziehung auf Augenhöhe zu entwickeln.

[1] Marilyn Espe-Sherwindt, Family-centered practice: collaboration, competency and evidence, August 2008, Support for Learning 23(3):136 – 143; DOI:10.1111/j.1467-9604.2008.00384.x

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