Erster MED-EL Chorworkshop Singen Bewegt
Vom vielstimmigen Gesang zum harmonischen Miteinander – So könnte man den 1. MED-EL Chorworkshop für Hörimplantierte zusammenfassen, der im Juni in St. Pölten stattfand. Ein Workshop, bei dem nicht jeder Ton stimmen musste, sondern bei dem die Freude am gemeinsamen Singen im Vordergrund stand.
Carmen Kronawettleitner
Zwei erfahrene Musikpädagoginnen führten durch das Wochenende: Johanna Boyer, ausgebildete Musikwissenschaftlerin bei MED-EL und Sängerin, ist selbst einseitig ertaubte CI-Nutzerin und kann aus erster Hand Tipps für das Singen mit CI geben. Unterstützt wurde sie von Bianca Wirthner, Musiktherapeutin an der HNO-Klinik in St. Pölten, die seit Langem intensiv mit Cochlea Implantat-Nutzer:innen arbeitet.
Das erklärte Ziel der beiden Chorleiterinnen war es, den 15 Sängerinnen und Sängern zu vermitteln, wie viel Spaß Singen machen kann. Denn Musik weckt nicht nur Erinnerungen und Gefühle, sondern beinhaltet für Menschen mit Hörverlust auch eine therapeutische Komponente. Beim gemeinsamen Musizieren und Singen sind gleich mehrere gehörschulende Fähigkeiten gefragt: aufeinander hören, die richtige Tonhöhe finden, im Rhythmus bleiben, das Tempo halten. Sie alle wirken sich positiv auf das Sprachverständnis im Störlärm sowie den Musikgenuss aus.
Die zwölf Teilnehmerinnen und drei Teilnehmer wurden nach einem kurzen Kennenlernspiel in zwei Gruppen eingeteilt: in Chor“neulinge“ und erfahrenere Chorsänger:innen. Als Ergänzung zu den Gruppenproben boten die Musikpädagoginnen auch Einzelunterricht an, der auf überwältigendes Interesse stieß.
Atmen, singen, tanzen
Da lockeres Singen eng mit der Atmung verbunden ist, widmeten Johanna und Bianca dieser viel Zeit. Eine kontrollierte, zwerchfellgestützte Atmung schont die Stimmbänder, steigert das Wohlbefinden und wirkt sich positiv auf die Herz-Kreislauf-Funktion aus.
Rücken an Rücken summend konnte der Chor die Schwingungen der eigenen Stimme sogar fühlen. Mit gut aufgewärmten Stimmbändern ging es an die eigentliche Aufgabe: neue Lieder zu lernen und einen gemeinsamen Chorklang zu entwickeln. Gar nicht so einfach, wie die ausgebildete Jazzsängerin Laura bemerkte, die nach mehreren Hörstürzen ertaubte und dank ihrer beiden Cochlea Implantate ihren Beruf wieder ausüben kann: „Bisher habe ich mit meinen Implantaten immer solo mit Klavier gesungen. Im Chor unbekannte Lieder schnell und ohne Klavierbegleitung zu lernen, mit anderen Menschen zu singen, war eine völlig neue Erfahrung für mich.“
Bei den Kanons galt es, sich durch die nacheinander einsetzenden Gruppen nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Eine Konzentrationsübung, die beim Lied Und jetzt gang i ans Petersbrünnele ihren Höhepunkt fand. Klatschen, schnippen, Schenkel klopfen und dabei Text und Melodie richtig singen, entpuppte sich zwar anfänglich als schwierig, aber letztlich machbar. „Ich habe schon ganz rote Oberschenkel“, lachte Gabi nach der fünften Strophe und genoss mit den anderen das gemeinsame Erfolgserlebnis.
Der Spaß hörte für die Sangesfreudigen aus Österreich, Deutschland, Südtirol und der Schweiz auch nach der Chorprobe nicht auf. An einem Abend lernten sie, angeleitet von Tanzpädagogin Mireille, Kreistänze aus aller Welt kennen. Wieder waren Rhythmusgefühl, Bewegungskoordination und genaues Hinhören gefragt. „Das Tinder des 16. Jahrhunderts“, scherzte eine Teilnehmerin. Begeistert machten alle mit, von der Mittzwanzigerin bis zur 80-Jährigen, und lachten herzhaft, wenn sich allen Bemühungen zum Trotz ein Kuddelmuddel entwickelt hatte.
In den programmfreien Stunden nutzten die Hörimplantierten die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch über das Musizieren mit Implantat. Sie genossen die lockere, vertrauensvolle Atmosphäre in der Gruppe, erkundeten zusammen die Sehenswürdigkeiten und Cafés von St. Pölten und plauderten angeregt bis spätabends.
Vom Spaß zum Erfolg
Auch wenn der Fokus während des Chorwochenendes auf dem zwanglosen, freudvollen Singen und Musizieren lag, waren dennoch alle Beteiligten mit Herzblut bei der Sache. Die intensive Probenarbeit, das erkannten alle erfreut, machte sich bezahlt. Bei den fünf einfachen, aber klangvollen Liedern war der Fortschritt zwischen dem ersten und zweiten Tag deutlich zu hören. Aus dem vielstimmigen Gesang in der allerersten Probe hatte sich am Ende des Workshops ein harmonisches Miteinander entwickelt.
Eine kleine Abschlussaufführung, die „Matinée für uns“, stellte den emotionalen Höhepunkt des Wochenendes dar. Die beiden Sänger Ernst und Harald gaben das Kufsteinlied zum Besten, begleitet von Heinz auf der Ziehharmonika. Beim Refrain war auch der übrige Chor nicht zu halten und sang begeistert mit. Das Besondere daran? Nicht einmal 48 Stunden davor hatte Harald noch gemeint: „Ich traue mich nicht singen.“
Berührend war auch Lauras Darbietung ihrer Eigenkomposition Silence. Zuvor hatte sie erzählt, wie sehr ihre damals dreijährige Tochter darunter gelitten hatte, dass sie mit ihrer Mama nach deren plötzlicher Ertaubung nicht mehr wie gewohnt kommunizieren konnte. All diese Erfahrungen verarbeitete Laura in ihrem Lied – und rührte die Zuhörenden damit zu Tränen.
Mit den gemeinsam einstudierten Liedern Freude schöner Götterfunken und This Little Light of Mine ging das Singwochenende in St. Pölten in Hochstimmung zu Ende. Die anfänglichen Unsicherheiten hatten sich in der Chorgemeinschaft zu Freude am Singen gewandelt. Viele Emotionen inklusive. Singen bewegt einfach!
Gehörbildung für Menschen mit CI
Für alle, die ihr musikalisches Gehör bequem zuhause trainieren möchten, empfiehlt Johanna Boyer das Gehörschulungsprogramm Meludia. Es wurde speziell für Cochlea Implantat Nutzer:innen entwickelt. Für alle, die auf MyMedel registriert sind, bietet MED-EL ein Top-Angebot für die Nutzung von Meludia an. Registrieren Sie sich schnell für Meludia auf mymedel.com!
Singen im Chor mit Cochlea Implantat
Als Sylvia Reitmann ertaubte, war das nur eines ihrer gesundheitlichen Probleme in Folge ihrer Glasknochenkrankheit. Vom Singen hat sie sich nie abbringen lassen und wurde vom ChorForum Wien dafür sogar ausgezeichnet.
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