Wie Kinder mit Cochlea Implantaten mit Büchern lernen, Gefühle zu verstehen

Stimmungen und Gefühle anderer zu erkennen, darin sind hörbeeinträchtigte Kinder um bis zu vier Jahre verzögert. Bilderbücher können beim Aufholen helfen.

„Das macht mich jetzt wirklich wütend“, pfaucht der fünfjährige Phillip. Heute möchten seine beiden Brüder ohne ihn spielen. Phillip und der vierjährige Klausi aus dem Nachbarhaus dürfen nicht mitmachen. Klausi stehen die Tränen in den Augen: „Die sind blöd!“ Er kann die Mischung aus Kränkung und Ärger noch nicht benennen.

Eigene Gefühle oder die Gefühle anderer zu erkennen und zu benennen, müssen Kinder erst erlernen. „Mit dem Verbalisieren von Gefühlen lernen sie auch, dass ich mit Worten beim anderen ein Bild erzeugen kann, sodass der oder die mich versteht“, erklärt Anna Stenzel, Logopädin im ZENTRUM HÖREN. Studien zeigen: Hörbeeinträchtigte Kinder entwickeln diese Fähigkeiten meist verzögert, selbst bei altersgemäßer Sprachentwicklung. Deswegen sollten sie in der Therapie und im Alltag in dieser Hinsicht bewusst gefördert werden. Stenzel rät daher: „Für diese Kinder ist es besonders wichtig, dass wir Gefühle ansprechen: Bist du jetzt traurig? Oder: Ich habe das Gefühl, du bist jetzt echt wütend?!“

Kinderbücher nicht nur vorzulesen, sondern auch über die Gefühle der Akteure zu sprechen, kann dabei helfen. Manche Kinderbücher stellen menschliche Gefühle sogar in den Mittelpunkt der Handlung: wie wir Gefühle ausdrücken und erkennen und wie wir damit umgehen können. Die Bilderbuch-Edition Kunterbunte Gefühle widmet sich diesem Thema. Der Zeitverlag in Hamburg bietet die Sonderedition exklusiv in seinem Shop an: acht Bilderbücher und ein Kritzelheft in einer Büchertasche. Allen voran das populäre Heute bin ich der holländische Grafikerin Mies van Hout.

„Heute bin ich…!“

Stumm wie Fische eben sind, drücken die markanten Illustrationen der Bilderbuch-Autorin und -Illustratorin auch ohne viele Worte die aktuelle Stimmung des jeweiligen Protagonisten aus. Der beschreibende Begriff auf der gegenüberliegenden Seite dient auch als Hilfestellung für Erwachsene, die sich im Erkennen der Fischgefühle vielleicht nicht immer sicher sind. Oder könnten Sie auf Anhieb sagen, wie Sie schauen, wenn Sie neugierig sind?

Van Hout kommt in ihren Büchern oft mit nur wenigen Worten aus. Getreu dem Motto: ein Wort, ein Bild. Dafür regen die Bilder umso mehr zum Gespräch an: Woran erkennst du, dass der Fisch traurig ist? Wie machst du, wenn du ängstlich bist? Hast du Mama oder Papa auch schon einmal so nervös gesehen?

Eine Schatzkiste voller Emotionen

Die ZEIT-Edition Kunterbunte Gefühle für Bilderbuchfreund ab drei Jahren besteht aus acht Bilderbüchern über unterschiedliche Gefühle, darunter auch Heute bin ich sowie einem Kritzelheft. Ganz so einheitlich wie bei Zeit-Editionen gewohnt, kommt Kunterbunte Gefühle nicht daher – aber wer sortiert seine Bilderbücher schon der Größe nach im Regal? Für kleine Bücherfreunde zählt die Vielfalt, und die ist mit der vorliegenden Auswahl gegeben.

Da gibt es zum Beispiel die Hundegeschichte von Stephen Michael King. Sie erzählt über Gefühle wie Selbstbewusstsein, Dankbarkeit oder Geborgenheit; und über das Glück, genauso zu sein, wie du bist. So wie der Hund namens Drei. Der hat drei Beine. Was für ein Glück! Was nützen dem Sessel seine vier Beine, wenn er damit nicht gehen kann? Die sechsbeinigen Ameisen werden leicht zertrampelt und die Beine der Raupen kann Drei nicht einmal zählen! Bei Flora im Garten findet der selbstbewusste Streuner ein geborgenes Zuhause und eine Familie, bei der er glücklich sein darf.

Oder die Abenteuer eines kleinen Hobby-Fotografen. Der stürzt beim Ausflug mit der Kindergruppe am Meeresboden in eine Schlucht. Plötzlich steht er Aug in Aug mit einem großen, grünen Etwas. „Ich hätte jetzt Angst!“, rufen wir in der Redaktion wie aus einem Mund, als wir das Buch durchblättern. Der US-Amerikaner John Hare erzählt seine Geschichte nur mit Bildern und regt damit zum gemeinsamen Erzählen und Benennen an.

„Jedes Gefühl ist ein gutes Gefühl!“

Mit Kunterbunte Gefühle lernen die kleinen LeserInnen eine ganze Gefühlsvielfalt kennen: von Freude, Glück und Geborgenheit bis zu Neid, Wut oder Traurigkeit; und sie können beobachten, wie die ProtagonistInnen mit ihren Gefühlen umgehen. „Das ist wichtig für ein harmonisches, gesundes Zusammenleben!“, erklärt Psychotherapeutin Susanne Blachowsky MSc.; ebenso wichtig, wie die eigenen Gefühle richtig einreihen, annehmen und ausdrücken zu können. Das gilt auch für jene Gefühle, die in unserer Gesellschaft mehrheitlich abgelehnt werden.

„Jedes Gefühl ist ein gutes Gefühl‘“, beginnt auch das gleichnamige Gefühlstagebuch – eines der Lieblingsmaterialien der Logopädin Anna Stenzel. Stabil gebunden, beschreibt das Buch 20 grundlegende Gefühlslagen und lädt dann ein, nicht nur die wichtigsten Geschehnisse des Tages, sondern sich auch an die damit verbundenen Gefühle zu erinnern und festzuhalten. Ein Stickerbogen und einige eingestreute Rätsel und Bastelanleitungen runden das Konzept ab.

„Alle Gefühle gehören zu dir!“

Die umfangreicheren Textpassagen und eine eigenständige Nutzung als Tagebuch setzen bei Ein gutes Gefühl aber schon etwas ältere Kinder voraus. Eine einfachere Variante eines solchen Aktivitätsbüchleins ist das Kritzelheft Kunterbunte Gefühle, das Teil der Sonderedition im ZEIT-Verlag ist. Dabei geht es primär um das farbliche und formenhafte Darstellen von Gefühlen, aber auch um das Erkennen und Benennen, und wie im Einleitungstext zu lesen ist: „Alle gehören zu dir und wechseln sich ab.“

Geschenke für kleine Leute mit großen Gefühlen

ZEIT-Edition Kunterbunte Gefühle

Acht Hardcover-Bilderbücher über Gefühle, darunter die drei vorgestellten, sowie Kritzelheft und Büchertasche; bestellbar nur im ZEIT-Onlineshop auf https://shop.zeit.de, Artikel-Nr.: 44636
€ 99,95 zuzüglich Versandspesen (nach Österreich: € 14,95)

Ein Hund namens Drei

Für Kinder ab 3 Jahren, Stephen Michael King, Übersetzung: Bernd Stratthaus, Annette Betz im Ueberreuter Verlag, gebunden, ISBN 978-3-219-11904-6, ab € 14,95

Tief im Ozean

Für Kinder ab 4 Jahren, John Hare, Verlag Moritz, gebunden, ISBN 978-3-89565-405-3, ab € 15

Heute bin ich

Bilderbuch für Kinder ab 3 Jahren, Mies van Hout, aracari-Verlag
Ausführung gebunden (wie bei der Sonderedition von DIE ZEIT): ISBN 978-3-905945-30-0, € 15,50
Das Buch gibt es auch das etwas kleineres Minibuch und für kleinere Kinder ab 1 Jahr als im Umfang reduziertes Pappbuch sowie als stark reduziertes Badebuch.

Legespiel für Kinder ab 6 Jahren, ISBN 7640163670073, aracari-Verlag € 20

Stickerbuch für Kinder ab 6 Jahren, 900 Aufkleber mit neun Motiven aus dem Buch, ISBN 978-3-907114-33-9, aracari-Veralg € 12,40

Weiters gibt es zum Buch auch Malbuch, Kunstkarten-Set und Jausenbox

Ein gutes Gefühl

Wenn es passt, bitte hier Bild eingutesgefuehl_produkt_cover02

Gefühlstagebuch für Kinder in Hardcover-Ausführung, Hersteller: Ein guter Verlag, ASIN: B08LW2C1W1, beim Hersteller auf einguterplan.de um € 19,90, im freien Handel auch günstiger

Das Farbenmonster

Bilderbuch-Empfehlung von Susanne Blachowsky MSc. für Kindergarten- und Volksschulkinder

Christophorus-Verlag 2022, Pop-up gebunden ISBN: 978-3841101952, ab € 24,99 im Buchhandel (beim Verlag selbst nicht im Angebot)

Verlagshaus Jacoby & Stuart GmbH 2018, gebunden ISBN: 978-3946593683 € 16,50; Pappausgabe ISBN 978-3964281074 € 12,40

Kooperatives Brettspiel mit Memo ab 4 Jahren, EAN: 4 260071 880550; beim Verlag Huch!, hutter-trade.com € 36,99, im freien Handel auch günstiger

Kinder, die ihre Gefühle noch nicht in Worte fassen können oder wollen, können auch bunte Fische für sich sprechen lassen: Der aracari-Verlag bietet seit Neuestem auch ein Stickerheft zum Buch an. Anna Stenzel schlägt vor, Kinder als kleines Geschenk einen konkreten Fisch-Sticker aussuchen zu lassen, zum Beispiel: „Welches Gefühl hast du heute schon gehabt?“ Das regt nicht nur zum Gespräch an, sondern auch zum Nachdenken und zur Selbsterkenntnis.

Bei Karten- und Brettspiel über Gefühle reden

Bilder über Gefühle üben Sozialverhalten und Funktionen der Theory of Mind

Spielinhalte eignen sich hervorragend als Gesprächsbeginn. Zum Beispiel das Legespiel Heute bin ich zum gleichnamigen Bilderbuch:

Zwei Bildsets mit je 21 Karten – alle aus festem Hartkarton – zeigen je einen Fisch aus dem Bilderbuch: entweder nur den Fisch oder unter dem Fisch ist das entsprechende Gefühl genannt. Bei einem dritten Set steht nur der Begriff in bunten Lettern auf der Spielkarte. Mit den Karten lassen sich trefflich 21 Paare für ein Memory-Spiel bilden: gepaart je nach Beobachtungsgabe und Lesekenntnissen der SpielerInnen.

Memory als Sprachtraining

Anna Stenzel, Logopädin am ZENTRUM HÖREN, rät, vor Spielbeginn ins Thema einzuführen: „Warst du schon einmal traurig? Was machst du, wenn du traurig bist?“, „Welches Gefühl kennst du? Kannst du dieses Gefühl zeigen?“ Oder: „Weißt du, was neugierig ist?“ SpielerInnen und SpielleiterIn können je nach Alter der Kinder die genannten Gefühle mit Gestik, Mimik und Pantomime darstellen. Dann können die Bildkärtchen erstmals als Ratespiel zum Einsatz kommen: „Was fühlt der Fisch?“

Auch für andere Memory-Spiele gilt: Die Darstellungen sollten immer erst benannt werden, um die jeweiligen Begriffe zu üben – egal, ob Tiere, Berufe, Alltagsgegenstände oder eben Gefühle auf den Karten gezeigt sind. Das Spiel selbst soll dann verbal begleitet werden: von der Spielleitung und möglichst von allen MitspielerInnen.

Ausdrucksformen üben – im Spiel und im Alltag

Um das Ausdrücken und Erkennen von Gefühlen spielerisch zu üben, eignet sich eine Spielvariante angelehnt an das populäre Brettspiel Activity: Jede Spielerin, jeder Spieler zieht einen Karte und versucht, das darauf genannte Gefühl zu beschreiben, zu mimen oder zu zeichnen. Die anderen sollen das dargestellte Gefühl erraten – allein oder im Team. Bei noch unerfahrenen SpielerInnen kann auch die Spielleitung das Raten übernehmen. Die SpielerInnen können sich so vorerst auf die Darstellung der Gefühle konzentrieren.

Um die eigenen Gefühle geht es beim Spiel Das Farbenmonster: Bei jedem Spielzug erzählt ein anderer Mitspieler oder Mitspielerin: „Wann habe ich mich so gefühlt?“ Die gemeinsame Herausforderung besteht unabhängig davon in einer Art kooperativem Memo-Spiel, bei dem das Spielziel gemeinsam erreicht wird. Der beigelegte Spielplan bietet zusätzliche Tipps für Erwachsene als Spielleitung.

Mit Bilderbüchern lernen kleine LeserInnen viel über Gefühle und wie die Figuren im Buch mit diesen umgehen. ©Adobe Stock

„Ich bin ein Fan davon, im Lauf des Spiels oder Gesprächs auch den weiteren Themenkomplex zu besprechen“, rät die erfahrene CI-Logopädin Stenzel. „Kannst du dieses Gefühl immer gut erkennen? Geht das in manchen Situationen besonders schwer? Oder bei manchen Menschen? Aber auch außerhalb der Spielsituation ist es besonders für CI-Kinder wichtig, Gefühle anzusprechen: Bist du jetzt traurig? Oder: Ich habe das Gefühl, du bist jetzt echt wütend?!“

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