Wie Hörverlust und Demenz zusammenhängen: Chancen durch Hörgerät & Hörimplantat
Hörverlust beeinträchtigt die Kommunikation, aber auch die geistige Fitness; er ist ein oft unterschätzter Risikofaktor für neurokognitive Erkrankungen. Im Mai informierte Prim. Dr. Thomas Keintzel beim Klinikum Wissensforum „Mit allen Sinnen“ am Klinikum Wels-Grieskirchen über dieses Thema.
Eva Kohl

Prim. Dr. Thomas Keintzel ©Robert Maybach
Der Zusammenhang zwischen Hörverlust und Demenz
Zwischen 300 und 400 Interessierte verfolgten die Vorträge des Forums „Mit allen Sinnen“ am Klinikum Wels-Grieskirchen. FachärztInnen informierten über hartnäckigen Husten, häufigste Augenerkrankungen, Vorsorge und Therapie von bösartigen Hautkrankheiten sowie den Zusammenhang zwischen Hörverlust und Demenz.
Bei der anschließenden Fragerunde stand das Thema Hörverlust im Mittelpunkt. Wie Dr. Thomas Keintzel, Primar der Abteilung für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten am Klinikum, zusammenfasst, kamen die meisten Fragen von: „Menschen, die selbst unter Hörverlust leiden und mit ihrer Hörversorgung unzufrieden sind“.
Hören und Denken sind eng verbunden
Bei vielen der Fragenden war schon nach wenigen Worten erkennbar, dass bei ihnen in Folge ihrer Höreinbußen bereits eine gewisse kognitive Veränderung eingesetzt hat. Denn Hörverarbeitung und neurokognitive Funktionen stehen in engem, wechselseitigem Verhältnis.
Die Veränderung der kognitiven Schallverarbeitung ist zwar noch keine Demenz, kann aber ein frühes Anzeichen sein. Studien belegen: Hörverlust und Demenz beeinflussen sich gegenseitig.
Frühzeitige Hörversorgung schützt das Gehirn
Neurokognitive Veränderungen lassen sich mit bildgebender Diagnostik nachweisen, wie Dr. Keintzel erklärt: „Der Hippocampus nimmt an Gewicht ab.“ Das gilt bei leichten kognitiven Beeinträchtigungen ebenso wie bei einer echten Demenz.
Eine frühzeitige Hörversorgung – etwa durch Hörgeräte oder Cochlea-Implantate – kann die kognitive Leistung stabilisieren und das Risiko für Demenz senken.
Lebensqualität auch Alter erhalten
„Der Global Burden of Disease-Studie der WHO ist zu entnehmen, dass sowohl Hörverlust als auch Demenz in Industrieländern zu den bedeutendsten Erkrankungen zählen und zu massiven Einschränkungen der Lebensqualität führen“, so Primar Keintzel. Der HNO-Spezialist engagiert sich besonders für hörbeeinträchtigte PatientInnen jeden Alters und gilt als Experte für Hörimplantate.
In Österreich leben laut Gesundheitsministerium rund 130.000 bis 150.000 Menschen mit Demenz, Tendenz steigend. „Bis 2050 wird sich diese Zahl verdoppeln“, erklärt Keintzel. Hauptursache: die Alterung der Bevölkerung.
Risikofaktoren für Demenz – und warum Hören dazugehört
Primäre Demenz entsteht durch das Absterben von Nervenzellen. Sekundäre Demenz hingegen wird durch Krankheiten oder Umweltfaktoren ausgelöst. Der Lancet Report 2024 nennt 14 wissenschaftlich erwiesene Risikofaktoren – einer davon ist der Hörverlust.
Keintzel betont: „Es liegt auch an uns selbst, unser Gehirn aktiv zu schützen.“ Regelmäßige Hörtests und rechtzeitige Behandlung senken das Risiko für Hörverlust und Demenz deutlich.
Hörverlust und Demenz – mehr als ein Altersleiden
„Hören und Kognition können nicht getrennt gesehen werden. Auch nicht bei jungen Menschen“, erklärt Keintzel. Studien zeigen, dass Menschen mit unbehandeltem Hörverlust ein deutlich höheres Demenz-Risiko haben.
Ab dem 60. Lebensjahr verlieren wir jährlich etwa ein Dezibel an Hörleistung. 30 % der 60- bis 70-Jährigen sind betroffen – bei den über 70-Jährigen sind es deutlich mehr. Diese Altersschwerhörigkeit beeinflusst nicht nur das Ohr, sondern auch die zentrale Hörverarbeitung im Gehirn – ein entscheidender Faktor bei Hörverlust und Demenz.
Mit Hörimplantaten geistig fit bleiben
„Akustische Reize halten das Gehirn aktiv. Fehlen sie, beginnt es schneller abzubauen“, warnt Keintzel. Hörgeräte oder Cochlea-Implantate, kombiniert mit gezieltem Hörtraining, können den Abbau neurokognitiver Fähigkeiten bremsen.
Ein Praxisbeispiel zeigt, wie ein älterer Patient nach einer Implantation geistig und sozial wieder aufblühte. Das verdeutlicht: Frühzeitige Behandlung von Hörverlust kann Demenz vorbeugen.
Früherkennung und Doppel-Screening
Hörverlust und Demenz zeigen ähnliche Symptome: sozialer Rückzug, verlangsamtes Denken, häufiges Nachfragen. Daher empfiehlt Keintzel, bei bestehenden Hörproblemen ein zusätzliches kognitives Screening durchzuführen – und umgekehrt.
Ein spezieller O-DEM-Test hilft, frühzeitig festzustellen, ob eine beginnende Demenz vorliegt. So kann gezielt therapiert und geistiger Abbau verlangsamt werden.
11 Warnsignale für Demenz
- Erinnerungslücken und Gedächtnisstörungen
- Probleme, einem Gespräch zu folgen
- Orientierungsprobleme: zeitlich und an fremden Orten
- Im Gespräch fallen einzelne Begriffe nicht ein „das Dings…“
- Vermindertes Urteilsvermögen
- Verlegen von Dingen
- Probleme mit visueller und räumlicher Wahrnehmung
- Schwierigkeiten bei alltäglichen Aufgaben
- Stimmungsschwankungen und Veränderungen im Verhalten
- Probleme, den Überblick über Abläufe und Arbeiten zu behalten
- Rückzug aus der Arbeit und von sozialen Aktivitäten

Leben mit hoerverlust.at
Alles auf einen Klick! hoerverlust.at bietet Betroffenen und Angehörigen umfassende Informationen und Kontaktmöglichkeiten zu allen Bereichen, die Sie auf dem Weg zum Hören benötigen. Mehr zum informativen Wegbegleiter vom ersten Verdacht bis zur optimalen Versorgung finden Sie hier!

ZENTRUM HÖREN
Beratung, Service & Rehabilitation – für zufriedene Kunden und erfolgreiche Nutzer! Mehr zum umfassenden Angebot und engagierten Team des MED-EL Kundenzentrum finden Sie hier!