Mit dem Hearing Health Forum EU gemeinsam das Bewusstsein für Hörverlust schaffen
Das Thema Hören fristet in der EU nach wie vor ein Schattendasein. Dabei ist ein gut funktionierendes Gehör die Grundlage für Kommunikation und eine aktive Teilnahme an der hörenden Welt. Das Hearing Health Forum EU arbeitet daran, Hören sichtbar zu machen.
Carmen Kronawettleitner
Das Hearing Health Forum EU (HHFEU) ist ein Zusammenschluss von EURO-CIU, HEARRING und MED-EL, der in der EU über Hörverlust, Komorbiditäten und die sozialwirtschaftlichen und individuellen Folgen von unbehandeltem Hörverlust aufklärt.
Ein kosteneffizienter und gleichberechtigter Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten für alle Menschen in der EU, etwa zu Cochlea-Implantaten (CI), käme nicht nur ihrer individuellen Gesundheit zugute, sondern könnte auch die Gesundheitssysteme in den EU-Mitgliedsstaaten nachhaltig positiv beeinflussen.
Die Initiative kümmert sich um Public Affairs auf EU-Ebene, klärt auf, organisiert Informationsveranstaltungen zu unterschiedlichen Hörthemen und setzt auf politischer Ebene an, um dem Thema Hören zu jenem Stellenwert zu verhelfen, den es verdient.
Persönliche Schicksale kosten Milliarden
Gerhard war ein erfolgreicher, finanziell gut situierter Handelsvertreter. Ein beliebtes Mitglied im Golfclub, lebensfroh, immer einen Schmäh auf Lager. Doch wegen seiner zunehmenden Schwerhörigkeit konnte der Mittfünfziger trotz Hörgeräte seiner Arbeit irgendwann nicht mehr nachgehen, verlor seinen Job und musste deutliche finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. Dem Arbeitsplatzverlust folgte der gesellschaftliche Rückzug, da wegen des stark eingeschränkten Hörvermögens eine lockere Unterhaltung in Gesellschaft nicht mehr möglich war. Gerhard verfiel in Depressionen, deren Behandlung viele Monate in Anspruch nahm.
So wie Gerhard ergeht es Millionen Menschen in der EU. Rund 57 Millionen EU-BürgerInnen leben mit einem einschränkenden Hörverlust, der nicht adäquat behandelt wird. Im Durchschnitt dauert es zehn Jahre, bis sich Betroffene um eine Lösung für ihr Hörproblem kümmern. Und längst nicht alle Schwerhörigen lassen sich überhaupt behandeln. Nur maximal zehn Prozent der Erwachsenen, denen ein Cochlea-Implantat helfen könnte, sind tatsächlich implantiert.
Was bedeuten diese Zahlen für die EU? Nicht adäquat behandelter Hörverlust resultiert in geringeren Ausbildungschancen, schlechteren Jobmöglichkeiten, höherer Arbeitslosigkeit, Frühpension sowie höheren Behandlungskosten für Begleiterkrankungen wie Depressionen oder kognitivem Abbau.
All das kostet Geld. Geschätzte 185 Milliarden Euro pro Jahr entstehen in der EU als Folgekosten von unbehandeltem Hörverlust.
Hörverlust auf politischer Ebene
Hier setzt das Hearing Health Forum EU an. Seine RepräsentantInnen zeigen auf politischer Ebene genau diese wirtschaftlichen und persönlichen Nachteile auf. Sie informieren über Behandlungsmöglichkeiten und setzen sich für den Ausbau der Hörgesundheit in der EU ein. Diesbezügliche Vorschläge beinhalten etwa die Einführung von Hörscreenings in den einzelnen EU-Staaten für über 55-Jährige, um Schwerhörigkeit früher zu erkennen, rechtzeitig zu behandeln und dadurch Folgekosten einzusparen; Folgekosten, die durch Komorbiditäten wie Depressionen, Demenz, Diabetes oder einen höheren Betreuungsbedarf angekurbelt werden; Folgekosten, die durch eine geeignete Behandlung des Hörverlusts, zum Beispiel durch Hörimplantate, vermieden werden könnten.
Das Hearing Health Forum EU klärt mit Awareness-Kampagnen die EntscheidungsträgerInnen in der EU-Gesundheitspolitik auf, was unbehandelter Hörverlust persönlich und vor allem volkswirtschaftlich bedeutet. Veranstaltungen im Europäischen Parlament zielen auf eine staatenübergreifende Strategie für Hörgesundheit ab, in der alle EU-BürgerInnen gleichberechtigten Zugang zu einer geeigneten Behandlung haben. Denn auch innerhalb der EU driften die Möglichkeiten für eine Versorgung etwa mit Cochlea-Implantaten weit auseinander. Während in Ländern wie Österreich oder Deutschland die Kosten für eine bilaterale Versorgung auch im Pensionsalter vom staatlichen Gesundheitswesen übernommen werden, bekommen Erwachsene in den Niederlanden nur auf einer Seite ein CI gezahlt. Und in manchen EU-Staaten ist ein CI für ältere Erwachsene, das nicht privat finanziert werden muss, ohnehin Utopie.
Weitere Empfehlungen, um Kosten für die Gesundheitssysteme EU-weit einzusparen und ein gesundes Altern der Gesellschaft zu fördern:
- Einfacherer Zugang zu innovativen Hörtechnologien, darunter Hörimplantate
- In Prävention und Rehabilitation von Hörverlust investieren
- Recht auf Zugang zu professioneller Hörgesundheit
- EU-weite Sensibilisierung für gutes Hören, Aufklärung über die Folgen von unbehandeltem Hörverlust in der breiten Bevölkerung und bei HörspezialistInnen
Das Thema Alter nimmt aufgrund der demographischen Entwicklung in der EU einen hohen Stellenwert ein. Doch auch für die Jüngsten setzt sich das Hearing Health Forum EU aktiv ein. Neugeborenen-Hörscreenings, die in Österreich seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich etabliert sind, sind noch immer nicht in allen EU-Staaten verpflichtend. Eine nationale Umsetzung empfiehlt das HHFEU daher dringend.
Das HHFEU steht mit seinen Aktivitäten erst am Anfang seines Weges: regelmäßige Information, der gemeinsame Austausch und EU-weite Lösungsansätze, gepaart mit dem politischen Willen für Veränderung, das Thema Hören aus seinem Schattendasein holen.
Und Gerhard? Nach anfänglichem Zögern entschied er sich für eine Cochlea-Implantation. Seither genießt er das Leben wieder in vollen Zügen, spielt Golf, hat sich ein neues berufliches Standbein gesucht, und erzählt allen begeistert von seinen CIs. Seine Depressionen sind Vergangenheit, die Implantate haben sich für das Gesundheitssystem amortisiert. Eine von vielen Kosten-Nutzen-Rechnungen zugunsten der Hörgesundheit, von denen das Hearing Health Forum EU in Zukunft noch viele vor dem EU-Parlament präsentieren kann.
Weitere Infos unter https://www.hearinghealth.eu/
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