CI-Nutzerin initiiert Projekt zur Hörsensibilisierung
Ein Cochlea-Implantat bringt nicht nur besseres Hören, sondern auch mehr Selbstsicherheit und Lebensqualität. Die Sparkasse Oberösterreich bietet für ihre MitarbeiterInnen Hörtests und Sensibilisierung zum Thema Hören an. gehört.gelesen sprach mit der Initiatorin Petra Wohlschlager, Mitarbeiterin der Sparkasse und selbst Nutzerin eines Cochlea-Implantats im Berufsleben.

Frau Wohlschlager, Sie tragen ein sehr auffälliges Design auf Ihrem RONDO 3-Prozessor: eine Katze auf einem knallroten Wollknäuel, alles im Comic Stil?
Das soll ein Hingucker sein, das soll jeder sehen! Ich bin auch schon oft darauf angesprochen worden. Im ersten Moment denken die meisten, mein Ronny – so nennen ich meinen Audioprozessor – sei eine Haarspange. Ich sehe nur ihren Blick aufs Gerät, weil danach fragen trauen sich die meisten nicht. Dann bringe ich halt das Gespräch darauf und frage zum Beispiel: „Kannst du dich bitte dort rüber setzen, weil auf der anderen Seite höre ich nicht so gut.“ Oder „Ich muss kurz meinen Ronny runtergeben – so lange höre ich dich nicht gut.“ Dann fragen sie danach und wir kommen ins Reden.
Wissen Sie: Die Brille ist gesellschaftlich etabliert und ein modisches Accessoire, das die Brillenträger stolz herzeigen. Die meisten CI-NutzerInnen aber möchten nicht, dass ihr CI gesehen wird. Ich bin beim Verein vonOHRzuOHR aktiv. „Kann man das dann unter den Haaren verstecken“, fragen dort viele Betroffene vor einer Implantation. Ich antworte dann immer: „Versteckst du deine Brille auch unter den Haaren?!“
Ich trage nur ein CI, auf der anderen Seite höre ich ja ganz normal. Und ein paar Minuten Hörpause können schon auch wichtig sein, gerade für Menschen mit Hörproblemen. Aber wenn ich das Hören dringend brauche – bei einem Gespräch oder im Straßenverkehr – dann fühle ich mich ohne mein CI wie auf rohen Eiern. Das CI bedeutet für mich Sicherheit und Selbstsicherheit. Stellen Sie sich vor, Sie sind im Wald und hören das tiefe Bellen eines Hundes – können aber nicht sagen, aus welcher Richtung. Ich kann das nicht richtig beschreiben, aber: Ohne mein CI fühle ich mich, als wäre ich in einer großen Blase verloren. Das CI bedeutet für mich Lebensqualität und deswegen soll das auch jedeR sehen!
Sensibilisierung für Hörprobleme am Arbeitsplatz mit Cochlea-Implantat

Petra Wohlschlager über ihren RONDO 3:„Das soll ein Hingucker sein, das soll jeder sehen!“ ©Eva Kohl
Hören sichtbar machen, damit hat auch Ihr Projekt bei der Sparkasse zu tun?
Die Sparkasse Oberösterreich steht für Inklusion und ist im Behindertenbereich sehr engagiert – für die KundInnen, aber auch für die MitarbeiterInnen. Zum Beispiel gab es ein Projekt, bei dem KollegInnen erleben konnten, wie es ist, auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein. Als ich das Video über dieses Projekt gesehen habe, habe ich die Verantwortlichen aufmerksam gemacht: Dieses „Angewiesen sein auf den Rollstuhl“, das ist eine sichtbare Einschränkung. Es gibt aber auch weniger offensichtliche Beeinträchtigungen; eben zum Beispiel Höreinschränkungen. Ich bin sogar überzeugt, dass es eine große Dunkelziffer an KollegInnen gibt, denen selbst nicht bewusst ist, dass auch sie ein Hörproblem haben.
Hörprobleme entwickeln sich oft schleichend. Wenn ich meine Brille abnehme, bemerke ich sofort Probleme beim Sehen. Beim Hören ist das in einer kurzen Momentaufnahme oft nicht greifbar. Und selbst, wenn jemand das merkt, wird es oft negiert: Ich habe zum Beispiel einen Kollegen, der mir erzählt hat, dass auch er auf einem Ohr nur 30 Prozent hört. Ich habe ihn dann gefragt, wo seine Hörversorgung ist. „Das geht schon“, hat er abgewunken und hat gelacht: „Am Abend lege ich mich auf mein gutes Ohr und schon ist Ruhe um mich herum.“ Ja super, aber was ist mit dem Rest der 24 Stunden jeden Tag?! „Ein Hörgerät, so alt bin ich noch nicht“, hat er gesagt.
Ihr Projekt an der Oberösterreichischen Sparkasse, Bereich Gesundheit und Soziales, gemeinsam mit dem Verein vonOHRzuOHR, soll dem entgegenwirken?
Ich konnte die Zuständigen so weit begeistern, dass wir den KollegInnen nun dieses Projekt zur Sensibilisierung zum Thema Hören anbieten. Wir wollen damit die Auswirkungen so einer Hörbeeinträchtigung bewusst machen: wie viel Energie jemand dadurch verliert, was das für sein Arbeitspensum bedeutet. Wenn jemand sich fragt: „Warum bin ich denn oft so müde? Warum kann ich mich nicht mehr konzentrieren?“, dann kann das alles auf das Hören zurückzuführen sein.
Praktische Tipps für den Alltag mit Cochlea-Implantat im Berufsleben
Wir haben gerade einen Beitrag für die Mitarbeiterzeitung vorbereitet, um das Projekt bekannt zu machen. Und im Juni wird es dann einige Termine geben, bei denen der Verein vonOHRzuOHR auch Hörtests anbieten wird. Für Wels und Linz sind die Termine jetzt schon fixiert und es gibt auch schon zahlreiche Anmeldungen.
Das Projekt zur Mobilität sollte Verständnis für Betroffene schaffen. Ihnen geht es eher darum, für eine eventuelle eigene Hörbeeinträchtigung zu sensibilisieren?
Unser Projekt ist eine Mischung aus beidem. Man sollte Menschen wegen einer Höreinschränkung im Alltag ja nicht ständig mit Samthandschuhen anfassen. Aber sie brauchen vielleicht die eine oder andere Unterstützung: einen optimal positionierten Lautsprecher oder ein Mundbild, einen anderen Platz im Raum, wo er oder sie besser versteht, oder bei Schulungen einen Schriftdolmetsch oder zumindest schriftliche Handouts. Hörbeeinträchtigte melden ihre Bedürfnisse aber oft nicht an, weil es „ja eh noch geht.“ Dabei würden sie sich um vieles leichter tun, wenn diese Mittel zur Verfügung stünden.
Ich möchte einerseits alle KollegInnen darauf aufmerksam machen, dass Schwerhörige in solchen Situationen wirklich einen Bedarf an unterstützenden Maßnahmen haben. Gleichzeitig möchte ich aber alle Betroffenen sensibilisieren, damit die sich nicht einfach mit den beispielhaften 30 Prozent Hören zufriedengeben, weil es „eh noch geht.“ Nein, es geht nicht! Es hat nämlich Auswirkungen auf dich und auf dein Umfeld, auf deine Leistungen und auf dein privates Leben! Das möchte ich allen bewusst machen.
Unterstützung und Inklusion: Das Cochlea-Implantat im Berufsleben fördern

Die einseitig taube Petra Wohlschlager: „Ohne mein CI fühle ich mich wie auf rohen Eiern.“ ©Andreas Maringer
Welches Arbeitsumfeld kann ich mir für Sie und Ihre KollegInnen bei der Sparkasse vorstellen? Und welche Maßnahmen könnten dort helfen?
Ich bin zum Beispiel Kundenbetreuerin, da brauche ich jedenfalls das Hörvermögen. Jetzt betreue ich per E-Mail oder über unser digitales Kundenportal George, schriftlich oder telefonisch – ein Mundbild ist dabei natürlich nicht verfügbar. Ich bin einseitig taub, daher kann ich die Telefonate mittels Headset mit dem gut hörenden Ohr führen. Am Anfang hatte ich mir dazu einen Arbeitsplatz mitten im Raum ausgesucht: Ich mag es nämlich, wenn sich rund um mich etwas tut. Aber ich habe bald gemerkt, dass das hörtechnisch nicht funktioniert. Jetzt bin ich in ein Eck übersiedelt, wo ich von Türgeräuschen und vorbeigehenden Leuten etwas abgeschottet bin. Auf diese Zusammenhänge kommt man nicht immer von selbst. Ich habe das auch bei der Hörrehabilitation gelernt.
Oder davor war ich jahrelang am Schalter tätig. Es gab einen linken und einen rechten Schalterplatz. Ich habe immer versucht so zu sitzen, dass der Kunde vor mir eher beim hörenden Ohr saß und mein Kollege mit dem anderen Kunden auf der Seite meines tauben Ohrs. Es ist schon auch Eigenverantwortung, den oder die KollegIn um den besser geeigneten Platz zu bitten und auch die Kundschaft zu bitten: „Können wir uns bitte auf den anderen Platz setzen, denn hier höre ich schlecht.“ Es verlangt viel Mut, sich diesen Bedarf selbst einzugestehen und dann auch zu kommunizieren – Mut, den viele nicht aufbringen. Dabei reagieren die meisten Leute sehr verständnisvoll auf solche Bitten!
Das ist auch im privaten Bereich so. Zum Beispiel war ich letztens nach einer anstrengenden Woche recht müde. Beim Einkaufen an der Kassa war dann ziemlich viel Lärm und ich musste trotz CI nachfragen: „Ich habe Sie akustisch nicht verstanden, können Sie das bitte wiederholen.“ Die Kassierin hat sich näher zu mir gebeugt und eine andere Dame hat das Gesagte für mich auch noch wiederholt: Wenn man den Menschen die Möglichkeit gibt, sind sie fast immer verständnisvoll und hilfsbereit.
Wie der Geschäftsbericht aufzeigt, wurde die Sparkasse Oberösterreich 2017 mit dem „Goldenen Ohr“ des Vereins vonOHRzuOHR für besondere Leistungen bei akustischer Barrierefreiheit ausgezeichnet. Schon damals waren in den größeren Filialen der Sparkasse spezielle Höreinrichtungen eingebaut, die Bankgeschäfte für hörbeeinträchtigte KundInnen einfacher machen sollten. Wird es auch bei Ihrem Projekt jetzt einen zusätzlichen Fokus auf KundInnen mit Hörbeeinträchtigung geben?
Unser aktuelles Projekt fokussiert primär auf MitarbeiterInnen der Sparkasse. Wenn ich aber weiß, wie ich mit schwerhörigen MitarbeiterInnen und KollegInnen umgehen soll, um sie gut zu unterstützen, dann weiß ich auch, wie ich mit schwerhörigen Kunden und Kundinnen umgehen soll. Denn natürlich haben wir auch Kunden und Kundinnen mit Hörbeeinträchtigungen.

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