Neue Kommunikationssysteme erobern den Hörgerätemarkt, doch die neue Technologie birgt neben verbesserter Klangqualität auch so manche Herausforderung für potentielle Nutzer.

Streaming, HiBAN, Digitale Induktion – mit Ausdrücken wie diesen in den Produktbeschreibungen werden moderne Hörgeräte angepriesen. Neue Möglichkeiten der Datenübermittlung sollen auch verbesserte Funktionalität ermöglichen. So können manche Hörgeräte mit dem kontralateralen, also am anderen Ohr getragenen, Gerät kommunizieren und die Geräte können die Einstellungen untereinander abgleichen. Oder die Hörsysteme können mit verschiedenen Audio- und Übertragungssystemen kommunizieren.

Das wohl bekannteste System für ein drahtloses Nahbereichsnetzwerk (Wireless Personal Area Network – WPAN), ist Bluetooth. Das von Herstellern des Telekommunikationsbereichs gemeinsam mit Halbleiterhersteller Intel entwickelte Funkverfahren soll mobile Kleingeräte, aber auch Computer und Peripheriegeräte kabelfrei verbinden. Genutzt wird die frei verfügbare Funkfrequenz 2,4 Gigahertz. Konventionelles Bluetooth benötigt zu viel Strom, um die Schnittstelle mit kleinen Hörgerätebatterien zu betreiben. Daher bieten die meisten Hörsysteme Bluetooth nur über zusätzliche Streaminggeräte an. Erst seit mit Bluetooth 4.0 auch eine ‚Low Energy Version‘ mit reduziertem Energieverbrauch definiert wurde, kann diese sinnvoll in Hörsysteme direkt implementiert werden.

Herausforderungen neuer Technologien

Die erwähnten HiBAN-Systeme – spezielle, körpernahe Netzwerke für Hörgeräte – bieten zwar hohe Übertragungsqualität, sind aber aufgrund des frei gewählten Übertragungsprotokolls außerhalb der jeweiligen Gerätefamilie nicht kompatibel. So verwenden auch teilimplantierte Systeme, wie das bei allen aktuell verfügbaren Cochlea-Implantaten der Fall ist, eine digitale Übertragung von den äußeren Teilen, dem Audioprozessor und der Sendespule, zum Implantat selbst.

Laut aktueller Daten aus Nordamerika und aus Hannover in Deutschland hören rund die Hälfte aller erwachsenen CI-Nutzer am nicht-implantierten Ohr über ein Hörgerät. Wenn sie dieses über HiBAN mit einem Zusatzgerät verbinden möchten, kann es unter Umständen zu Interferenzen mit dem Implantatsystem kommen, die mitunter sogar die Funktion eines der beiden Hörsysteme blockieren. Bisher sind ungewollte Interaktionen und funktionale Probleme mit Zusatzgeräten der Familien iCom oder iCube oder auch dem schon etwas älteren COM Pilot bekannt.

Kurz gefasst: Digital versus analog

Genormt für den Anschluss an Hörgeräte und Audioprozessoren sind das Übertragungsprotokoll Bluetooth in der Version Low Energy, sowie analoge Zugänge. Sie können hersteller- und prinzipiell auch produktunabhängig eingesetzt werden – vorausgesetzt, der jeweilige Zugang wurde im Hörsystem vorgesehen. Auch Nutzer unterschiedlicher Hörsysteme auf beiden Ohren können solche normgemäßen Systeme problemlos nutzen, da damit der Audioprozessor eines Hörimplantats und das kontralateral genutzte Hörgerät gleichermaßen angesprochen werden.

Obwohl eine relativ neue Version des Bluetooth, das BLE – Bluetooth Low Energy, mit Hörgerätebatterien betrieben und daher direkt in das Hörgerät integriert werden kann, verursacht es immer noch hohen Batterieverbrauch. Die Übertragungsqualität ist aber sehr gut und die Technologie ist direkt mit Geräten kompatibel, die nicht typischerweise für Hörgeräte-Nutzer entwickelt wurden, wie etwa Smartphones.

Analoge Induktion und DAI sind bei Hörsystemen seit langem bewährt und entsprechen internationalen Hörgeräte-Normen. Sie bieten oft auch Mischmodi an, in denen das übertragene

Signal gemeinsam mit jenem des eingebauten Mikrofons angeboten wird. Über einfache Zwischengeräte werden sie auch zu einem universellen Bluetooth-Anschluss.

Speziell für Hörsysteme

Mit Hörgeräten der oberen Preisklasse werden mitunter HiBAN-Systeme mit angeboten. Diese speziellen Nahbereichsnetze für Hörsysteme werden oft auch als genormt nach ETSI EN 300 330 ausgewiesen. Dabei handelt es sich um eine Vorschrift für SRD, Funk- und Induktionsanlagen mit geringer Reichweite und mit einer Frequenz zwischen 9 Kilohertz und 30 Megahertz. Für die bei Hörgeräten üblichen elektromagnetischen Nahfelder NFMI sind dabei von der internationalen Fernmeldevereinigung ITU Frequenzen von 3 bis 15 Megahertz vorgesehen.

Die Digitalisierung ermöglicht eine nahezu störungsfreie Übertragung, die für Audiosignale auch hohe Klangtreue verspricht. Genormt sind die Übertragungsfrequenz und -leistung, nicht aber die digitale Kodierung: Daher sind die Systeme im Gegensatz zu Bluetooth nur innerhalb ihrer Produktfamilie kompatibel!

Diese Netzwerke werden für den bilateralen Abgleich zweier typengleicher Hörgeräte verwendet oder für den kabelfreien Anschluss von Zusatzgeräten, sogenannten DWA. Manche dieser Systeme senden über eine Halsschleife, welche das Gerät optisch wie eine Induktionsschleife erscheinen lassen. Das digital kodierte Signal ist für den genormten, analogen Induktionseingang „T“ oder „MT“ jedoch nicht geeignet, es kann dort nicht entschlüsselt werden!

Bewährtes System: analoge Induktion

Die Spezifikationen analoger Induktionseingänge für Hörgeräte sind seit langem in der europaweit gültigen Norm EN IEC 60118-7 beziehungsweise EN IEC 60118-9 gemessen, die auch international anerkannt und approbiert sind. Damit ist analoge, induktive Übertragung produkt- und herstellerunabhängig nutzbar, Sender und Empfänger unterschiedlicher Hersteller können problemlos miteinander kombiniert werden.

Die Norm schreibt zum Beispiel die Empfindlichkeit des Eingangs vor: Ein analoges, vertikales Magnetfeld von 31,6 Milliampere pro Meter soll dieselbe Lautstärke erzeugen wie ein Eingangssignal von 56 bis 64 Dezibel. Sogar die Beschriftungen „T“ und „MT“ für den Induktionseingang oder den kombinierten Eingang für Induktion und Mikrofon sind in der Normreihe EN IEC 60118 festgelegt.

In vielen öffentlichen Bereichen sind Induktionsschleifen installiert, die ein solches analoges Feld erzeugen. Die Plattform www.endlich-wieder-hoeren.org bietet unter dem Stichwort „Hearspots“ eine Datenbank, in der man über eine einfache Suchfunktion öffentliche Einrichtungen mit Induktionsschleifen im lokalen Umfeld suchen kann.

Wichtig zu wissen ist, dass die Ausrichtung der Empfangsspule im Audioprozessor ausschlaggebend für die Lautstärke des empfangenen Audiosignals ist. Wenn der Prozessor nicht in der richtigen Position am Kopf sitzt oder wenn der Nutzer nicht aufrecht steht, so ist der Empfang reduziert.

In vielen öffentlichen Bereichen sind Induktionsschleifen installiert und entsprechend ausgeschildert. ©Adobe Stock

Kommunikationssysteme im Privatbereich

Im privaten Bereich werden meist sogenannte Teleschlingen oder Induktionsschlingen verwendet. Diese können direkt an den Kopfhörerausgang einer Audioquelle angesteckt werden: beispielsweise im Alltag an Smartphone, iPod oder an den Audioguide im Museum, oder aber bei Konferenzen an den Empfänger einer Anlage für Simultanübersetzungen. Ein typisches Beispiel wäre die Geemarc iLoop. Alternativ gibt es Schlingen, die über Bluetooth mit der Audioquelle kommunizieren, wie die Artone 3 MAX.

Auch bei diesen Systemen kann das Neigen des Kopfes den Empfang beeinflussen! Besonders beliebt sind diese Systeme nicht nur bei Musikfreaks, sondern auch für die CI-Rehabilitation mittels CDs oder entsprechender Applikationen am Smartphone.

Manche der Schlingen sind sogar Teil einer DWA-Familie, wie etwa das myLink aus dem Roger-System von Phonak: Das myLink kommuniziert mit den Zubehörteilen der Familie über ein digitales Signal, an das Hörgerät oder den Audioprozessor sendet es ein analoges Induktionssignal, wie es für den induktiven Eingang von Hörgeräten genormt ist.

Ohne Umwege: Direkter Audio-Eingang

Die Buchse des DAI „Direct Audio Input“ ist wie die analoge Induktion in der Hörgeräte-Norm EN IEC 60118-Reihe definiert und damit produkt- und herstellerunabhängig nutzbar. Bei MED-EL Audioprozessoren ist der DAI meist in eine spezielle Batteriehülse integriert, die FM-Hülse genannt wird. An diese Buchse können iPhone, Smartphone und sogar der Kopfhörerausgang des PCs oder einer Audioanlage mit einem entsprechenden Kabel direkt angesteckt werden.

Aber auch die Empfänger sogenannter FM-Systeme, Kommunikationssysteme, wie sie in Schulklassen verwendet werden, können an den DAI angesteckt werden: In Österreich waren das früher vorwiegend Sennheiser FM-Systeme, heute sind verschiedene FM-Systeme primär von den beiden Herstellern Phonak oder Widex in Verwendung. Die Lehrkraft spricht in ein Mikrofon, das mit einem winzigen FM-Sender verbunden ist. Der sendet das Sprachsignal drahtlos an die FM-Empfänger.

Auch das System ROGER von Phonak wird an Schulen als Kommunikationssystem zwischen Lehrer und Schülern genutzt. Beispiele für einen Empfänger der ROGER-Familie, der an den DAI angesteckt werden kann, ist der ROGER X. Beim ROGER 21 muss der ROGER-Empfänger nicht erst an die FM-Hülse angesteckt werden, sondern ist bereits in die Batteriehülse des SONNET integriert. In diesem Fall spricht man von einem „systemintegrierten Empfänger“.

Frequenzen zur drahtlosen Übertragung

Hersteller technischer Geräte dürfen nicht einfach wahllos Signale von Sendegeräten an die Umgebung abgeben: In Österreich regelt das Bundesgesetzblatt II Nummer 63 die für Funkanwendungen geltenden Bedingungen, sowie für sonstige Anwendungen elektromagnetischer Wellen, für die Beeinflussung zwischen der Anwendung und einer Funkanwendung besteht. Eine Störung verschiedener Anwendungen untereinander soll damit vermieden werden. In Anlage 2 findet sich eine Zuteilung der Frequenzen, die zur Übertragung genutzt werden dürfen. Das Gesetz ist europaweit und international, mit entsprechenden Abkommen harmonisiert, eingebunden: so in die Vorschriften des Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen ETSI und der internationalen Fernmeldeunion ITU.

Der für Menschen hörbare Frequenzbereich von Luftschall geht bis 20 Kilohertz, wobei Hörsysteme in der Regel Schall bis etwa 8 Kilohertz übermitteln. Bei der elektromagnetischen Übertragung ist der Bereich bis 8,3 Kilohertz im Bundesgesetz für Induktionsfunkanlagen reserviert.

Was bedeutet?

HiBAN – Hearing Instrument Body Area Network: körpernahes, drahtloses Netzwerk, für und mit Hörgeräten

WPAN – Wireless Personal Area Network: drahtloses, persönliches Nahbereichs-Netzwerk

SRD – Short Range Device: Funkanlagen für geringe Reichweite

NFMI – Near Field Magnetic Induction: elektromagnetische Nahfeld-Induktion

EN – Europäische Norm: vom Europäischen Komitee für Normung CEN, Europäischen Komitee für elektrotechnische Normung CENELEC oder Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen ETSI erarbeitete Norm

IEC – International Electrical Commission: Internationale Elektrische Kommission, Sitz in Genf, erarbeitet Normen im Bereich der Elektrotechnik und Elektronik, teilweise gemeinsam mit dem internationalen Normungsinstitut ISO – International Organization for Standardization

ETSI – European Telecommunications Standards Institute: Institut für europäische Telekommunikations-Normen

ITU – International Telecommunication Union: Internationale Fernmeldeunion

DWA – Digital Wireless Accessories: Zubehör, das drahtlos angeschlossen werden kann

FM – Frequency Modulation: ursprünglich Kommunikationsanlage, die Frequenzmodulation zur Übertragung nützt, wird die Bezeichnung FM heute für Kommunikationsanlagen speziell für den Betrieb in Schulen und schulähnlichen Situationen verwendet

DAI – Direct Audio Input: direkter Zugang für Audiosignale; Buchse, an welche die Audioquelle direkt, über Kabel und/oder Adapter an Hörgerät oder Audioprozessor angesteckt wird

M, T, MT – Mikrofon, Telespule, Mikrofon und Telespule: Per Norm definierte Bezeichnung für den Betrieb von Hörgeräten, bei denen das Audiosignal über das Mikrofon, induktiv beziehungsweise auf beiden Wegen gleichzeitig zugeführt wird

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