Welcher Fahrrad- oder Motorradhelm passt für NutzerInnen von Hörimplantaten?

Für NutzerInnen von Cochlea Implantaten, anderen Hörimplantaten oder auch Hörgeräten ist es oft schwierig, einen passenden Helm für den Zweirad-Sport zu finden. Neben rechtlichen Aspekten schützt ein gut angepasster Helm Kopf und Implantat; der Handel hält flexibel Angebote bereit.

„Nach einem schweren Sturz mit dem Rad, Gott sei Dank ohne Beschädigung der Implantate, habe ich mir im Fachgeschäft einen neuen Helm gekauft“, erzählt unsere CIA Sport- und Fitnessreferentin Gabriele Woditschka. Beim Moped- und Motorradfahren schreibt die Straßenverkehrsordnung das Tragen eines Sturzhelms vor. Beim Radfahren ist der Helm für Kinder bis zum Alter von zwölf Jahren verbindlich, egal ob sie selbst fahren oder im Kindersitz oder Radanhänger sitzen; für ältere Kinder und Erwachsene ist der Helm zumindest empfehlenswert. Das gilt besonders für NutzerInnen eines Hörimplantats, da der Helm bei Stürzen auch den Schädelbereich um das Implantat vor Schlägen schützt.

„Ich habe bei einem günstigen Helm aus dem Online-Handel mit dem Stanleymesser das Styropor dort ausgeschnitten, wo ich Platz für meine Audioprozessoren brauche“, gesteht Max Sailer, ebenfalls begeisterter Radfahrer und bei CIA für den Bereich Pensionisten zuständig. Auf der Suche nach einem gutsitzenden Helm, der ohne derartige Adaption auch mit seinen Audioprozessoren passt, wurde er bisher noch nicht fündig: „Es ist meiner Meinung nach besser, einen manipulierten Helm zu tragen als gar keinen Helm.“

Das österreichische Kuratorium für Verkehrssicherheit KFV weist auf Nachfrage ausdrücklich darauf hin, dass die selbständige Manipulation an Sicherheitshelmen nicht empfohlen ist: „Bitte immer an den Hersteller wenden, da eine eigenständige Manipulation zu starken Sicherheitseinschränkungen des Helmes führen kann.“

Viele NutzerInnen von Hörsystemen finden auch serienmäßige Helme, die selbst mit Hörsystemen sicher und zugleich komfortabel sitzen. Die Angebote der Hersteller zur individuellen Anpassung reichen von Fahrradhelmen mit Klettpads bis zu maßgeschneiderten Motorradhelmen.

Fahrradhelm: Genug Platz für Zopf und Cochlea Implantat

Ein Fahrradhelm sollte vor dem Kauf jedenfalls anprobiert werden. Hartschale und Schaumstoff sollten für die Hörsysteme genug Platz bieten und das Kopfband so verlaufen, dass es nicht quer über Implantat und Audioprozessor zu liegen kommt. Einen guten Abstand des Kinnriemens zum Hörsystem gewährleisten meist weitläufige Y-Bänder. Victor Senn von der IGGH nennt als Beispiele einige Helme von UVEX, wir wurden auch bei ABUS und anderen Herstellern fündig. Jugendlichen und Erwachsenen mit HdO-Geräten passen meist handelsübliche Helme, Nutzer von Single-Unit-Prozessoren müssen mitunter etwas länger suchen.

Victor Senn vom IGGH empfiehlt Fahrradhelme, die mit zusätzlichen Klettpads individuell an den Kopf des Helmträgers bzw. der Helmträgerin angepasst werden: Die Hörsysteme können dabei ausgespart werden. Beispiele wären FIXTURE XL MIPS Trailhelm und Endurohelm von Giro, oder einige Produkte von UVEX. Eine Empfehlung hat der IGGH auch für die Ponytail-kompatiblen Modelle GameChanger, Skurb und Viantor von ABBUS erhalten, die wohl auch um die Ohren relativ viel Freiraum bieten. Die deklarierte Ausnehmung für Langhaar oder Pferdezopf befinde sich aber im hinteren Bereich des Helms. „Ponytail-kompatibel“ ist daher kein eindeutiges Merkmal für „CI-kompatibel“, aber ein Indiz für weitläufigen Freiraum.

Auch Kleinkinder im Radanhänger oder im Kindersitz brauchen einen Helm: Für ihre Eltern kann die Suche nach einem passenden Helm besonders schwierig sein, weil Radhelme für Kleinkinder größere Bereiche abdecken als bei Helmen für Jugendliche und Erwachsene üblich, weiß das US-amerikanische Bicycle Helmet Safety Institut. Es schlägt als Lösung den kleinsten „Jugendhelm“ vor, sobald der passt. Für Erwachsene rät das Institut zu Helmen in „Universalgrößen“, die in weitem Bereich mittels verstellbarer Bügel an die Kopfgröße angepasst werden.

Gabi Woditschka ist beim Hersteller Lazer fündig geworden: Ganz ohne Manipulationen passt ihr der Helm Magma+ auch mit ihren RONDO 2-Prozessoren. „Durch die Innenverriegelung sitzt der perfekt. Und die RONDOs sind auch noch vor Regen geschützt!“

Motorradhelm: Das Cochlea Implantat als eine Art von Kommunikationsgerät

Die Integralhelme für MotorradfahrerInnen decken Ohren und Umfeld komplett ab. Für optimale Sicherheit müssen sie fest am Kopf sitzen. Hier bleibt weniger Freiraum für Hörsysteme als beim Fahrradhelm; Druck auf die Hörhilfe kann rasch unangenehm werden. Faktisch alle Hersteller von Motorradhelmen bieten aber Modelle mit speziellen Aussparungen für Kommunikationsgeräte und Kopfhörer an: Darunter ein passendes Modell zu suchen, schlägt Victor Senn von der IGGH auch NutzerInnen von Hörsystemen vor.

Eine besondere Lösung hat Senn beim japanischen Hersteller SHOEI mit seinem Personal Fitting System P.F.S. gefunden. Dabei handelt es sich um die individuelle Anpassung eines Motorradhelms. Der Kopf des Kunden oder der Kundin wird dafür vom Fachpersonal vermessen, wobei auch Besonderheiten – wie eben Audioprozessor oder Hörgerät – erfasst werden. Entsprechend den aufgezeichneten Daten wird eine individuelle Polsterung für den Motorradhelm angefertigt. SHOEI veranschlagt für die Messung etwa zehn Minuten Zeitaufwand, die individuelle Anpassung des Helms dauert dann bis zu 30 Minuten. Die Preisempfehlung für diesen Händlerservice liegt bei einem Aufpreis von 60 Euro zum baugleichen Helm „von der Stange“. Eventuell zusätzlich nötige Kopf- und Wangenpolster werden extra verrechnet.

Zertifizierte SHOEI-Fachhändler, welche auch für die individuelle Anpassung der Helme ausgebildet sind, findet man allerdings nur in Deutschland, Tschechien und Dänemark; in der Schweiz ist dieser Service in Planung. Laut Auskunft des Distributors ist eine Einführung in Österreich derzeit nicht vorgesehen. Helme unterschiedlicher Hersteller mit Aussparungen für Kommunikationssysteme sollten aber auch in unserem Land im Fachgeschäft zu finden sein.

Rechtliche Aspekte der Helmpflicht

„Kinder unter zwölf Jahren müssen beim Radfahren, beim Transport in einem Fahrradanhänger und wenn sie auf einem Fahrrad mitgeführt werden, einen Sturzhelm in bestimmungsgemäßer Weise gebrauchen“, schreibt in Österreich die Straßenverkehrsordnung § 68 vor. Sie stellt aber keine besonderen Anforderungen an den Helm. Damit sind weder CE-Zeichen in Kombination mit EN 1078 oder EN 1080, noch die Zertifizierung nach ASTM, CPSC oder ähnliche Sicherheitsstandards bei der Nutzung verpflichtend. Laut Kuratorium für Verkehrssicherheit KfV wäre aus rechtlicher Sicht eine Manipulation am Radhelm daher zulässig, solange die Schutzwirkung des Helms aufrecht bleibt. Zudem führe ein Verstoß gegen die Helmpflicht weder zu einer Strafe noch zu versicherungsrechtlichen Konsequenzen.

Anders bei Moped- und MotorradfahrerInnen und -beifahrerInnen: Entsprechend der Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung müssen deren Helme den Richtlinien der ECE-Regelung 22.05 genügen; gemäß Kraftfahrgesetz § 106 Absatz 7 sind sie „in bestimmungsgemäßer Weise“ zu gebrauchen. Eine Manipulation am Helm kann also sowohl eine Strafe nach sich ziehen als auch im Unfallfall die Leistung der Versicherung reduzieren. Auch die Produktgarantie, wie bei Motorradhelmen oft für mehrere Jahre üblich, ist nach einer Manipulation fraglich: Wie der Fachhändler helmexpress.com in seinem Magazin aufzeigt, kann die Garantie schon erlöschen, wenn der Helm nur lackiert oder beklebt wurde.

Es gibt zwar eine Ausnahmeregel, der gemäß die Helmpflicht weder für Moped- oder Motorradfahrer noch für Kinder am Fahrrad gilt, wenn „aufgrund der körperlichen Beschaffenheit des Benützers oder der Benützerin der bestimmungsgemäße Gebrauch unmöglich ist.“ Wie diese Ausnahmeregel für das Tragen von Hörsystemen ausgelegt werden darf, ist laut KfV aber fraglich, da Hörsysteme ja entfernt werden könnten. Die Ausnahmeregel betrifft zudem nur den rechtlichen Aspekt, nicht jedoch die Frage der Sicherheit: Das Verletzungsrisiko ist für ZweiradfahrerInnen ungleich höher, wenn sie keinen Helm tragen. Manipulationen am Helm können die Sicherheit ungewollt einschränken.

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