Cochlea-Implantat und Fahrradhelm sind kompatibel!

Kurt Gregor war es wichtig, dass er mit dem Cochlea-Implantat auch problemlos einen Fahrradhelm tragen kann. Im April 2024 bekam er sein CI, knapp zwei Wochen nach der Aktivierung gewann er sein nächstes Radrennen – hörend und gut geschützt.

Eva Kohl

„Der Extremsport hat bei mir ja eigentlich mit den Hörproblemen angefangen“, schmunzelt Kurt Gregor. Er war damals Anfang 40 und stand voll im Berufsleben. Er und seine Gattin bauten gerade ihr neues Haus direkt am Badeteich. Da bemerkte er erste Einbußen beim Hören. Sein Arzt forderte unter anderem einen Blutbefund an – und riet angesichts besorgniserregender Werte dringend zu Ausgleichssport. Nicht nur der nahe Badeteich, auch frühere Erfolge als Schwimmer in der Jugendmannschaft des ASV Wien legten nahe, wieder regelmäßiger zu schwimmen. In der kalten Jahreszeit wich der Werkmeister eines großen Technologiekonzerns auf Waldläufe aus, später auch auf das Fahrrad.

Eines Tages unterstützte Gregor als Betreuer einen Freund beim Kärtner Ironman. Das ist ein Triathlon, bei dem alle drei Bewerbe – Schwimmen, Radfahren und Laufen – nicht nur über besonders lange Distanzen führen, sondern auch direkt hintereinander ausgetragen werden. Als ehemaliger Wettkampfschwimmer konnte der geborene Wiener nachvollziehen, dass sich die TeilnehmerInnen auf die lange Schwimmdistanz einließen. „Aber so weit zu laufen und Rad zu fahren: Die spinnen, dachte ich.“ Dann beobachtete er: „Da waren einige festere Damen dabei, die haben nach 42 Kilometer Laufen wirklich gelächelt!“ Das beeindruckte ihn. Gemeinsam mit seiner Frau versuchte er sich erstmals in Wien beim Marathon. Heute weiß er: „Wenn Sie einmal infiziert sind, dann hören Sie nicht mehr auf: Zum 50. Geburtstag habe ich dann mit dem Triathlon angefangen.“

Ausdauer und Extremleistung erfordern langes, konsequentes Training. „Ich mach‘ das, weil mir das wirklich ´was gibt“, versichert der Pensionist. „Und weil man auch viel lernen kann!“. Dass alles auch irgendwie Kopfsache ist, zum Beispiel; oder dass man immer mit Unvorhergesehenem rechnen sollte, einen Plan B bereithalten. Wie beim Radrennen in London, als der Österreicher acht Meilen vor dem Ziel den Reifen flicken musste. Eine Meile später hatte er den zweiten Patschen. „Da half nur noch Plan B“, lacht er: „Ich bin dann sieben Meilen mit Patschen ins Ziel gefahren.“

„Bei der Radetappe des Ironman muss ich den Schiedsrichter hören!“

„Da ist keiner dabei, der jetzt nicht mehr passen würde.“ Kurt Gregors Fahrradhelme sind alle mit dem SONNET 2-Audioprozessor kompatibel – vom billigen bis zum teuren Helm, und vor allem, ohne etwas auszuschneiden und die Sicherheit damit zu gefährden. ©Kurt Gregor

„Da! Das war er, mein erster Ironman!“ Der Freizeitsportler deutet auf ein Schild: Ironman Kärnten 2011. An der Wand darüber, darunter und daneben tapezieren die Startnummern zahlreicher weiterer Ironman-, Marathon- und Halbmarathon-, Triathlon- und Einzelbewerbe die Wand der Einfahrt; davor an Flaschenzügen und Radträgern hängend, unterschiedliche Trainingsräder für Sommer und Winter, sowie eines der Fahrräder für Wettbewerbe – mit Karbonreifen, am Pedal integriertem Powermeter und mit kabelfreier Bluetooth-Schaltung. Seit er schlecht hört, gehören auch seine Hörhilfen fix zur Radausstattung, denn: „Beim Laufen ist das Hören ja vielleicht Geschmacksache, aber beim Radfahren ist es sehr wichtig.“

Wenn das Wasser bei langen Schwimmdistanzen immer wellenförmig an das Trommelfell schwappt, beeinträchtige das den Gleichgewichtssinn: für Bewerbe, bei denen es gleich anschließend an Land weiter geht, keine gute Voraussetzung. Deswegen trägt der Extremsportler bei den Schwimmbewerben Schwimm-Otoplastiken – aufs Hören verzichtet er dazu. „Auch beim Laufen kann ich ohne Hören leben. Da kann ich mich mehr auf meinen Körper konzentrieren“, versichert er. Dann erzählt er von dem kleinen Mädchen, das am Rand stand und ihre Mama anfeuerte – und wie auch ihm diese Zurufe neue Energie schenkten.

2018 lief er den letzten Marathon, danach machte ihm ein Gefäßleiden weitere Laufwettbewerbe unmöglich. Umso wichtiger ist ihm jetzt das Radfahren. Dabei sei es wichtig, nicht nur die anderen Radfahrer zu hören – besonders jene außerhalb des Gesichtsfelds: Bei der Radetappe des Ironman muss Gregor auch den Schiedsrichter hören können. Der begleitet die Radrennfahrer auf einem Motorrad, achtet auf das Einhalten der Abstände und anderer Wettkampfregeln und gibt entsprechende Anweisungen. „Wenn Sie die Anweisungen des Schiris nicht befolgen, dann bekommen Sie eine Zeitstrafe“, erklärt der erfahrene Wettkampfsportler. Aber auch Radtraining ohne Hören kann er sich nicht vorstellen: „wegen dem Verkehr!“

OP-Roboter HEARO: Hilfe bei herausfordernder Anatomie

Das Hörvermögen des 63-Jährigen wurde aber trotz aller Bemühungen in den letzten 20 Jahren immer schlechter. Links ist der ehemalige Vorgesetzte über 180 Mitarbeiter in Folge seiner Otosklerose schon seit über 15 Jahren faktisch taub. Am rechten Ohr konnte eine Otoplastik-Operation diesen Prozess verzögern; bis er vor wenigen Monaten auch rechts trotz Hörgerät und CROS-Versorgung nicht mehr genug verstand. Er brauchte wieder einmal einen Plan B, dieses Mal fürs Hören. Seine HNO-Ärztin schlug ihm ein Cochlea-Implantat vor. An der HNO-Universitätsklinik Wien bestätigte Fachärztin Priv.-Doz. Dr. Alice Auinger die Indikation. Sie schlug vor, das schon länger taube, linke Ohr zuerst zu implantieren.

Die mit Otosklerose einhergehenden Verknöcherungen sind bei einer Implantation aber eine Herausforderung. Auinger erklärt: „Ist die Schnecke verknöchert, muss die Verknöcherung ausgebohrt werden. Je nach Ausdehnung der Verknöcherung kann das aber schwierig sein.“ Der OP-Roboter HEARO kann in dieser Situation helfen, wie die Chirurgin erklärt. „HEARO bohrt selbstständig und minimalinvasiv durch den Knochen hinter dem Ohr einen Tunnel zur Hörschnecke. Anhand der Daten aus der Computertomographie kann die Bohrung exakt geplant und durchgeführt werden: Die verknöcherten Stellen in der Schnecke werden maximal ausgebohrt. So kann der Elektrodenträger dann weiter inseriert werden.“ Die tiefere Insertion ermöglicht ein natürlicheres Klangbild mit CI. Obendrein erhofft man sich auch, durch die Präzision beim Bohren die Nervenstrukturen in der Cochlea besser zu erhalten.

Komplikationsfreie Cochlea-Implantation

Schon als Jugendlicher verzeichnete Kurt Gregor Erfolge als Schwimmer. ©Kurt Gregor

Im April 2024 führten Prof. Dr. Clemens Honeder und Priv.-Doz. Dr. Alice Auinger die Implantation durch. Drei Stunden später war der Patient zurück im Zimmer, nach einer weiteren Stunde mit seiner Frau spazieren. „Einen Hunger habe ich g´habt, sonst nichts“, freut Kurt Gregor sich noch im Nachhinein über die komplikationsfreie Operation. Drei Wochen später aktivierte der CI-Techniker den zugehörigen Audioprozessor: einen zart-beigen SONNET 2 mit einer Sendespule im dezenten Schottenkaro. Obwohl er am linken Ohr so lange nichts gehört hatte, kann der Pensionist erstaunlich rasche Hörerfolge verzeichnen: „Ich kann schon jetzt, nach knapp zwei Monaten, mit dem CI telefonieren! Andere brauchen da angeblich etwas länger dazu.“

Besonders freut den begeisterten Sportler, dass auch alle seine Fahrradhelme mit dem SONNET 2 völlig problemlos passen, vom „Billigsdorfer“ für das Training bis zum teuren Helm fürs Rennen: „Da ist keiner dabei, der jetzt nicht mehr passen würde.“ Die Sendespule liegt – wie das Implantat selbst – gut geschützt unter dem Helm, der HdO-Teil des Prozessors bleibt im freigestellten Bereich über dem Ohr völlig offen und kann ungehindert Schall aufnehmen. Unter dem Helm trägt Gregor noch ein Bandana, ein Schlauchtuch aus dünnem Stoff: „Um den Schweiß abzufangen.“ Das hat er sich seinerzeit mit dem Hörgerät so angewöhnt.

Weltweit vernetzt – beim Sport und beim Hören

Zwischen 600 und 1.200 Euro kostet die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen dieser Größenordnung, die Anreise noch nicht mit eingerechnet. Seit er in Pension ist, kann der Wahlniederösterreicher auch an Bewerben teilnehmen, bei denen das während seiner 45 Jahren Erwerbsarbeit zeitlich nicht möglich gewesen wäre. Heuer wurde er sogar X-Waters-Weltmeister seiner Altersklasse, über alle Altersklassen belegte er Rang 8. Das war in Malta. Andere Bewerbe brachten ihn nach Italien oder London – „eine wirklich schöne Gegend“, in die USA oder nach Neuseeland.

Mit einem raschen Griff zieht Gregor eine Art Amulett aus dem Kragen. „Von den Maori, ich bin dort jetzt Stammesmitglied“, erklärt er und lässt das Lederband mit dem Anhänger wieder unter sein Shirt gleiten. Die Ureinwohner Neuseelands hat er durch eine Freundin kennen gelernt, eine geborene Maori und Nutzerin zweier Cochlea-Implantate. Der ehemalige Behindertenvertreter seines Betriebs ist heute weltweit mit SportlerInnen mit Höreinschränkung vernetzt. Deaf Ironmen Events heißt die Facebook-Gruppe, bei der Mitglieder aus der Gehörlosenkultur und NutzerInnen unterschiedlicher Hörsysteme untereinander Tipps austauschen und einander bei der Teilnahme an Sportbewerben unterstützen.

Dort hat Gregor schon lange vor seiner Entscheidung zum CI zahlreiche CI-Nutzer und -Nutzerinnen kennen gelernt. Viele dort würden die Polsterung ihres Fahrradhelms ausschneiden, damit die Prozessoren unter den Helm passen, erzählt er. „Aber das ist ja nicht gescheit, einen Helm zu manipulieren!“ Er verweist auf Sicherheits- und Versicherungsaspekte und ist sich sicher: „Wenn beim Wettkampf der Schiedsrichter sieht, dass der Helm manipuliert ist, lässt der Sie gar nicht starten.“ Deswegen war es für ihn so wichtig, dass sein Fahrradhelm mit so einem CI-System auch ohne Manipulationen passen wird und das CI mit einem Helm funktionieren wird.

Die erste Wettkampf-Medaille mit Cochlea-Implantat

Kurt Gregor beim Gran Fondo New York, seinem ersten Bewerb mit seinem Cochlea-Implantat. ©Kurt Gregor

„Ich zeig Ihnen was!“, stolz deutet der Wettkampfsportler auf eine der zahlreichen Medaillen, die den Stiegenaufgang des ehelichen Hauses zieren; dicht an dicht, aufgefädelt an Stangen, nach Bewerben sortiert. Zu vielen davon hat der erfolgreiche Extremsportler eine besondere Erinnerung zu erzählen, Souvenirs seiner sportlichen Erfolge. Die im Moment jüngste Medaille vom Gran Fondo New York im Mai 2024 wird für ihn immer mit dem CI verbunden sein. Der GFNY, wie er kurz genannt wird, war jener Bewerb nur zwei Wochen nach der Aktivierung des CIs, bei dem er erstmals wieder am linken Ohr hören konnte.

Das Hören mit CI bedarf der Übung. Doch schon jetzt versteht der Pensionist mit dem Implantat um etwa 20 Prozent besser als zuvor mit dem rechten Ohr mit Hörgerät und CROS-Versorgung. „Einfach herrlich, wieder Musik zu genießen“, schwärmt er vom ersten Konzert mit CI: Rod Stewart in der Wiener Stadthalle. Dann seufzt er: „Wenn ich das alles vorher gewusst hätte, hätte ich das früher machen lassen! Auch wenn das CI vorher noch nicht notwendig war, aber weil es besser ist!“  Im kommenden Winter wird Kurt Gregor auch rechts ein CI bekommen. Damit er den Schiedsrichter beim Radrennen versteht, egal von welcher Seite der ihm zuruft; und damit er auch im Alltag wieder von beiden Seiten gut hört.

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