Um von einem zweiten Cochlea-Implantat bestmöglich zu profitieren, ist wie bei einem ersten Implantat konsequentes Üben angeraten. Spezialistinnen aus Deutschland und Österreich erklären, wie binaurale Funktionen gezielt trainiert werden können.

„Auch eine sequentielle CI-Versorgung erfordert ausdauerndes und gezieltes Hörtraining der betroffenen Seite“, mahnt Corinna Schaar, Rehabilitationsmanagerin bei MED-EL Deutschland. Unter sequentieller CI-Versorgung versteht man Cochlea-Implantation bei Nutzern, die auf der anderen Seite bereits ein CI nützen. Die Logopädin Constanze Vetter betreut am ZENTRUM HÖREN CI-Nutzer aus Wien und Umgebung: „Ich empfehle meinen Klienten, die Übungseinheiten mit ihrem Gesprächspartner zu Hause anfangs nur mit dem neuen CI durchzuführen. Im Alltag sollten sowieso durchgehend beide CIs getragen werden.“

Je länger die Erstimplantation zurückliegt, desto eher sind die Wochen und Monate der Hörübungen nach der Operation in Vergessenheit geraten. CI-Kandidaten erwarten dann mitunter, die finalen Hörerfolge der ersten Seite auf der zweiten Seite schon kurz nach der Aktivierung zu erreichen. Dabei kann das neuartige Signal auf der zweitimplantierten Seite im ersten Moment sogar als störendes Hintergrundgeräusch empfunden werden. Schaar betont: „Die Bereitschaft, den neuen Audioprozessor auch regelmäßiger zu tragen, ist unerlässlich.“

Hören – auf beiden Seiten und beidseits

Hören und Sprachverstehen werden erst mit dem zweiten Cochlea-Implantat allein und dann mit beiden Seiten gemeinsam geübt. Wollen Kleinkinder für das Hörtraining auf das gewohnte, erstimplantierte CI nicht verzichten, nutzen manche Eltern einen Trick: Nach dem Mittagsschläfchen ist „das alte Horchi noch müde und braucht noch ein bisschen Schlaf.“ Diese Zeit kann für Hörspiele genutzt werden.

Um Geräusche lokalisieren und einzelne Geräusch- und Sprachquellen in geräuschvoller Umgebung herauszuhören zu können, sollte das Hörvermögen beidseits annähernd gleichmäßig sein. Diese binauralen Fähigkeiten werden wie Sprache und Kommunikation auch von normalhörenden Kindern langsam erlernt und verfeinert – parallel zur Sprachentwicklung. Deswegen ist es für Nutzer von Cochlea-Implantaten wichtig, diese Funktionen bewusst zu üben.

Suchspiele für Groß und Klein

Das wohl verbreitetste Suchspiel unter Erwachsenen und Teenagern beginnt mit dem Standard-Klingelton von Samsung, Apple oder Huawei: „Wessen Smartphone läutet jetzt?“ oder „Wo habe ich mein Telefon verlegt?“

Während Erwachsene in solchen Situationen mitunter nervös reagieren, sind die meisten Kinder von Versteckspielen begeistert. Beim Geräusch-Verstecken macht der versteckte Mitspieler ein vorab ausgemachtes Geräusch oder ruft den Namen des suchenden Kindes. Alternativ kann ein klingelnder Wecker oder ein klingelndes Handy versteckt werden – die Kinder können dann auch gemeinsam suchen. Ungeübte Kinder benötigen anfangs die Hilfe erwachsener Mitspieler, um sich beim Aufspüren das Verstecks am Geräusch zu orientieren.

Auch Blinde Kuh ist bei Kindergruppen beliebt, wobei beim Hörtraining der Sucher ausschließlich durch Zurufe oder Geräusche gelockt werden darf. Auch andere Kinderspiele können entsprechend adaptiert werden. Corinna Schaar schmunzelt: „Mein Lieblingsspiel mit Kindern ist Ich höre etwas, was Du nicht hörst. Dabei fragen wir das Kind nicht nur, was, sondern auch woher es bestimmte Geräusche hört.“

Lokalisation gezielt üben

Möchten Sie als Erwachsener Richtungshören üben, beginnen Sie am besten in einem bekannten Umfeld und mit einem bekannten Geräusch, dessen Lage Sie ungefähr kennen. Suchen Sie die Geräuschquelle mit dem Blick. Dann drehen Sie mit geschlossenen Augen den Kopf in verschiedene Richtungen und finden Sie heraus, aus welcher Richtung Sie das Geräusch am besten orten können.

„Die Geräusche können gesprochene Wörter, Musikinstrumente oder Alltagsgeräusche sein“, erläutert Vetter aus ihrer Therapie-Praxis. „Funktioniert die Lokalisation eines Geräusches gut, spiele ich hintereinander zwei Geräusche von unterschiedlichen Positionen vor. Der Klient soll sie in der korrekten Reihenfolge lokalisieren.“ Mit zunehmender Treffsicherheit kann unbekannte Umgebung zum Übungsareal werden, oder es werden zuvor unbekannte oder aber bewegte Geräusche gesucht: zum Beispiel vorbeifahrende Autos.

In der Praxis ist für Erwachsene oft wesentlich, wie einfach sich Übungen im Alltag integrieren lassen. Schaar empfiehlt daher, allein oder mit einem Partner einfach die Augen zu schließen und herauszufinden: Wie viele verschiedene Geräusche nehme ich wahr, was ist es und woher kommt das Geräusch? „In der Gruppentherapie kann dieses Spiel im Freien oder in Räumen gespielt werden: zum Beispiel im Park oder in einer Cafeteria.“ Dabei werden Lokalisation und Unterscheidung von Geräuschen zugleich geübt.

Richtungshören kann man zuhause mit bekannten Alltagsgeräuschen üben, wie zum Beispiel der Klang eines Haustieres. ©Adobe Stock

Sprachverstehen im Störschall

Ob Kaffeehaus, Großraumbüro oder Klassenzimmer oder unterwegs in öffentlichen Verkehrsmitteln: Im Alltag ist es notwendig, auch bei Störgeräuschen zu verstehen und zu kommunizieren. „Sprachverstehen im Störschall ist der schwierigste Meilenstein im gesamten Übungsprozess“, ist die Wiener Logopädin Vetter sicher. Sie rät zu ruhiger Umgebung für das Hörtraining, solange der CI-Nutzer bei der jeweiligen Übung noch unsicher ist. Ihre Kollegin Schaar in Deutschland ermutigt: „Sobald der Nutzer in der Lage ist, erste Wörter zu identifizieren, kann er auch probieren, ob er leise Hintergrundgeräusche bei den Übungen verwendet.“

Während bei Sprachtests als Hintergrundgeräusch häufig genormtes Rauschen eingesetzt wird, bevorzugt Vetter für das Hörtraining Umgebungsgeräusche: „Ich arbeite sehr gerne alltagsorientiert.“ Zuhause kann man dazu im Hintergrund das Radio leise laufen lassen. Für erfahrene Nutzer bietet sich als Übungseinheit auch ein Gespräch im Lieblingscafé an. Vetter betont, dass auch normalhörende Menschen in solchen Situationen manchmal kombinieren oder nachfragen müssen: „Ein wesentlicher Punkt in meiner Therapie ist daher, mit den Klienten Strategien dazu zu erarbeiten.“

„Im ersten Schritt reicht es aber auch, das Fenster während der Übung zu öffnen“, empfiehlt Schaar – ein Tipp, der mit Übungspartner ebenso funktioniert wie beim Üben mit CD. Beim mobilen Hörtraining der Listen Up!-App können Nutzer schon ab der ersten Trainingsstufe entscheiden, ob sie die Übungen nach dem erfolgreichen Absolvieren in Ruhe, anschließend auch mit Störschall versuchen möchten. „Aber das beste Training für das Sprachverstehen im Störschall ist der Alltag jedes Nutzers“, schmunzelt Schaar. „Es gibt keinen Alltag ohne Störschall.“


Tipps und Materialien

Broschüre Geräuschlokalisation – Tipps & Informationen für TrägerInnen von Cochlea-Implantaten 22589 3.0: Erklärungen zur Funktion des Richtungshörens und wie man es üben kann. www.medel.com/de-at/support/rehab/rehabilitation-downloads

Listen Up! Hörtraining auf CD bei MED-EL https://at.shop.medel.com und im ZENTRUM HÖREN www.zentrum-hoeren.at sowie als App im App Store oder auf Google Play.

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